Ernst Ludwig Kirchner, Max Ernst, Max Pechstein, Paul Klee, Ernst Barlach, Emil Nolde, Otto Dix: Einige der bedeutendsten bildenden Künstler der deutschen Geschichte galten nichts im Nationalsozialismus.
Schlimmer noch, ihre Werke wurden als «entartet» gebrandmarkt, beschlagnahmt und vom Kunstmarkt entfernt. Als Start dieser Verbrechen an der modernen Kunst gilt die Propaganda-Schau «Entartete Kunst», die vor 75 Jahren, am 19. Juli 1937, in München eröffnet wurde.
«Gequälte Leinwand. Seelische Verwesung. Krankhafte Phantasten. Geisteskranke Nichtskönner», so verfemt wurden Künstler wie Kirchner, Klee, Nolde und Dix auf den Flugblättern, die die vom Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, Adolf Ziegler, geleitete Ausstellung ankündigten.
Abscheu und Beklemmung
In der Schau setzten die Ausstellungsmacher die Kunstwerke mit Zeichnungen von geistig Behinderten gleich oder kombinierten Bilder mit Fotos verkrüppelter Menschen. Das Ziel der Nazis: die Erregung von Abscheu und Beklemmung bei den Betrachtern und die Einstufung solcher Kunstwerke als in ihrem Sinne minderwertig. Die Schau, die bis 1941 noch durch zwölf weitere deutsche Städte zog, hatte mehr als drei Millionen Besucher.
Sie gilt auch deshalb als Anfang vom Ende der freien Kunst und der Avantgarde, weil nicht nur fast gleichzeitig die erste «Große Deutsche Kunstausstellung» im neu eröffneten Haus der Kunst stattfand. Zusätzlich setzten auch die Beschlagnahmungen unerwünschter Kunstwerke ein, die «Säuberung» deutscher Kunstsammlungen, wie die Nazis es nannten. Tausende moderne Kunstwerke wurden zerstört oder ins Ausland verkauft. Betroffen waren etwa 1400 Künstler. Berufsverbote hatte es schon früher gegeben.
Nach der bildenden Kunst nahmen die Nazis sich auch die übrigen Sparten des kulturellen Lebens vor, Literatur, Theater, Musik. Ein Jahr später, am 24. Mai 1938, eröffnete die Ausstellung «Entartete Musik».
Wo sind die Werke?
Das Schicksal einiger beschlagnahmter Werke ist bis heute noch unklar, das von mehr als 21.000 ist aber inzwischen im Internet nachzuverfolgen - in einer Online-Datenbank der Freien Universität (FU) Berlin. Die Forscher erhoffen sich durch die Veröffentlichung Hinweise auf bis heute verschollene Werke und unbekannt gebliebene Künstler.
http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/forschung/entartete_kunst/index.html
Wie inkonsequent oder möglicherweise auch uninformiert die selbst ernannten Herren über die Kunst dabei vorgingen, zeigt eine Anekdote, die das Haus der Kunst in seiner jüngst eröffneten Ausstellung «Geschichten im Konflikt» präsentiert. Es wurde überraschenderweise herausgefunden, dass Skulpturen von Rudolf Belling sowohl bei den "Großen Deutschen Kunstausstellungen" als auch in der Schau "Entartete Kunst" gezeigt wurde. Die Nationalsozialisten konnten diffamierte Künstler also gar nicht erkennen.
dpa - Bild: Jens Büttner (epa)