Die Opposition und die Regierung machten sich am Freitag gegenseitig für den blutigen Zwischenfall in dem Dorf Tremseh rund 35 Kilometer nordwestlich von Hama verantwortlich. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist nicht möglich.
Sollten sich die Angaben bewahrheiten, wäre es das schlimmste Massaker an Zivilisten seit Beginn der Proteste gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad vor 16 Monaten. Ende Mai waren in der Ortschaft Al-Hula 108 Männer, Frauen und Kinder getötet worden.
Aktivisten berichteten, dass Kräfte des syrischen Regimes das "abscheuliche Verbrechen" verübt hätten. "Mehr als 220 Menschen wurden getötet und rund 300 weitere verletzt", sagte Abu Omar, der örtliche Kommandeur der oppositionellen Freien Syrischen Armee, der Nachrichtenagentur dpa in der Nacht zum Freitag. Die Allgemeine Kommission für die Syrische Revolution erklärte, die Armee habe das Dorf am Donnerstag erst belagert und unter Beschuss genommen. Dann seien Milizionäre des Regimes aus umliegenden Dörfern in den Ort gekommen, um die Menschen in ihren Häusern zu töten.
Die syrische Regierung machte Oppositionskräfte für das Massaker verantwortlich. Ziel sei es, die öffentliche Meinung gegen Syrien aufzuheizen. Das Massaker sei während der Sitzung des UN-Sicherheitsrates verübt worden. Es diene dazu, ein militärisches Eingreifen von außen vorzubereiten. Der Sicherheitsrat berät derzeit über Strafmaßnahmen gegen das Regime.
UNO-Sicherheitsrat: Politischer Streit geht weiter
Im UNO-Sicherheitsrat in New York geht der politische Streit um Syrien weiter. Ein von westlichen Staaten eingebrachter Resolutionsentwurf wird von Moskau blockiert, weil er mit Sanktionen droht, wenn die Führung in Damaskus ihre Truppen nicht aus Wohngebieten abzieht.
Der stellvertretende russische Außenminister Gatilov appellierte unterdessen an den Sondergesandten Annan, bei seinen Friedensbemühungen mehr mit der syrischen Opposition zusammenzuarbeiten.
Annan verurteilt neues Massaker in Syrien
Der internationale Syrien-Vermittler Kofi Annan hat das Massaker in dem syrischen Dorf Tremseh mit möglicherweise bis zu 250 Toten scharf verurteilt. Er sei "schockiert und entsetzt" über die hohe Zahl von Toten sowie "die bestätigte Anwendung schwerer Waffen wie Artillerie, Panzer und Helikopter", erklärte Annan am Freitag in Genf.
"Dies ist eine Verletzung der von der Regierung versprochenen Beendigung des Einsatzes schwerer Waffen in Wohngebieten und ihres Bekenntnisses zum Sechs-Punkte-Friedensplan", sagte er. Die UN-Beobachter stünden bereit, um die Bluttaten in Tremseh zu untersuchen. "Die Bewegungsfreiheit der Beobachter muss respektiert werden", forderte Annan.
"Ich verurteile diese Gräueltaten aus das Schärfste", betonte der Syrien-Beauftragte von UN und Arabischer Liga. "Dies zeigt erneut, welchem Alptraum und Horror syrische Zivilisten ausgesetzt sind. Es ist äußerst dringend, dass diese Brutalität aufhört und wichtiger denn je, dass Regierungen mit Einfluss diesen effektiver nutzen, damit die Gewalt aufhört - und zwar sofort."
Syrischer Nationalrat will Waffen und Intervention
Der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) hat nach dem Blutbad von Tremseh erneut eine militärische Intervention gefordert. Der SNC-Vorsitzende Abdelbaset Seida appellierte am Freitag vor der Presse in Istanbul an den Weltsicherheitsrat, ein Eingreifen nach Kapitel VII der UN-Charta zu beschließen, um die Zivilisten in Syrien zu schützen.
Sollte eine UN-Resolution erneut am Veto Russlands scheitern, müsse die Kontaktgruppe der Freunde Syriens alleine handeln. Die arabischen Staaten rief der SNC auf, die Deserteure der Freien Syrischen Armee "mit allem, was sie benötigen" zu unterstützen.
UN-Chef Ban tiefbesorgt nach neuem Massaker in Syrien
Nach dem neuen Massaker in Syrien hat sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erschüttert gezeigt. "Der Generalsekretär ist zutiefst besorgt über die jüngsten Meldungen aus der Provinz Hama", sagte sein Sprecher Martin Nesirky am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Er habe mit dem Chef der UN-Beobachtermission Unsmis, General Robert Mood, telefoniert, um sich über die Einschätzung der Experten am Ort zu informieren.
"Die Unsmis-Teams stehen bereit, um hinzufahren und die Tatsachen zu überprüfen, falls und wenn es eine glaubwürdige Feuerpause gibt", hatte Mood anschließend in Damaskus gesagt.
dlr/dpa/cd/rkr - Bild: YouTube (ap)