In Paraguay hat der abgesetzte Präsident Lugo zu friedlichem Protest aufgerufen. Der parteilose Fernando Lugo, auch als "Bischof der Armen" bekannt, wird für den Tod von 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Landbesetzern und Polizisten politisch verantwortlich gemacht.
Der sanftmütige 61-Jährige kann mit der Unterstützung vieler südamerikanischer Amtskollegen rechnen, die ihn als Opfer eines "institutionellen Staatsstreichs" konservativer Kräfte sehen und der neuen Regierung seines Vizepräsidenten Federico Franco die Anerkennung verweigern.
Im eigenen Parlament war der parteilose Staatschef jedoch schon lange isoliert. Mit 76 zu 1 Stimmen erhob die Abgeordnetenkammer am Donnerstag die Amtsenthebungsklage, im Senat stimmten einen Tag später 39 der 45 Mitglieder für seine Absetzung.
"Bischof der Armen"
Vor allem die Stimmen der Kleinbauern und besitzlosen Landarbeiter in Paraguay hatten 2008 den Hoffnungsträger Fernando Lugo ins Präsidentenamt gebracht. Nach mehr als 60 Jahren machte er der Herrschaft der rechtskonservativen Colorado-Partei ein Ende. Der ehemalige "Bischof der Armen" hatte sein Priestergewand abgelegt, um an der Spitze einer bunten Koalition den kleinen Leuten in dem südamerikanischen Land den Zugang zur Macht zu verschaffen.
Lugo konnte sich mit seiner versöhnlichen und bedächtigen Art nicht durchsetzen. Kaum war er in den Regierungspalast in Asunción eingezogen, zerstritt er sich mit seinem Vizepräsidenten Franco. Der Zentrums-Politiker hatte mit seiner "Liberal-radikal authentischen Partei" (PLRA) einen Großteil der Stimmen für Lugos Wahlsieg beigesteuert - nun wollte er Teilhabe an der Regierung durchsetzen.
Die Armut unter Kleinbauern und Landarbeitern konnte die Regierung nicht lösen. Lugos Versprechen, die verfassungsmäßig verankerte Agrarreform voranzutreiben, wurde nicht eingelöst. Der blutige Ausgang einer Landbesetzung löste nun das Ende für Lugos Regierung aus. Sechs Polizisten - unter ihnen der Chef einer Eliteeinheit - und mindestens elf Landarbeiter starben bei einem Zusammenstoß in Curaguaty, rund 200 Kilometer von Asunción entfernt. Etwa hundert Bauern hatten das 2000 Hektar große Landgut eines ehemaligen Senators der Colorado-Partei besetzt. Ihm wurde vorgeworfen, sich das Land illegal angeeignet zu haben.
Der Fall ist kennzeichnend für die Situation des südamerikanischen Agrarstaates. Rund 42 Prozent der Bevölkerung lebt auf dem Land, die Hälfte von ihnen unter der Armutsgrenze. Mehr als drei Viertel des urbaren Landes im Westen Paraguays (77 Prozent) gehören einem Prozent der Bevölkerung. Rund 11 Millionen Hektar staatlichen Landbesitzes wurden während der Diktatur des Generals Alfredo Stroessner (1954-1989) in dubiösen Verfahren an Privatpersonen vergeben, die sich als Großgrundbesitzer etablierten. Mit der Rückkehr zur Demokratie begann ein langsamer Umkehrprozess - zu langsam für die rechtlosen Armen, die sich mit Landbesetzungen wehren.
Die blutigen Auseinandersetzungen in Curaguaty wurden Lugo, der die Landbesetzungen toleriert, wenn nicht gar gefördert hatte, zum Verhängnis. Die politische Verantwortung für das gewaltsame Ende der Aktion war einer der Anklagepunkte für die Amtsenthebung. Auch wahltaktische Manöver trugen zur Niederlage im Parlament bei: Lugo setzte nach dem Massaker seinen Innenminister ab und ernannte stattdessen einen Politiker der oppositionellen Colorado-Partei. Sowohl die Führung der Colorados als auch die PLRA Francos verstanden das als Versuch des Präsidenten, neue Allianzen vor der für April 2013 angesetzten Wahl zu schmieden. Die Amtsenthebung vereitelte das vorerst.
Brasilien und Argentinien ziehen Botschafter ab
Die neue Regierung sieht sich indes in schwerem Fahrwasser. Außenpolitisch scheint sie isoliert. Nicht nur die geografisch und ideologisch entfernten Regierungen von Venezuela, Ecuador und Nicaragua haben angekündigt, sie würden die Amtsenthebung Lugos nicht anerkennen. Die für Paraguay lebenswichtigen Nachbarn und Handelspartner Brasilien und Argentinien haben ihre Botschafter aus Asunción zurückgezogen und kündigen mögliche Maßnahmen an. Ein am Samstag einberufenes Gipfeltreffen der Südamerikanischen Staatenunion UNASUR am Mittwoch in Lima wird ein erstes Zeichen setzen.
dpa/vrt/afp/sh - Bild: Pablo Porciuncula (afp)