Das Ergebnis der Griechenland-Neuwahlen mit nur geringen Aussichten auf eine rasche Regierungsbildung dürfte die Finanzmärkte in der neuen Woche erneut unter Hochspannung setzen.
Ein erstes Urteil über den Wahlausgang konnten die Anleger bereits bei Öffnung der asiatischen Börsen fällen.
Nach ersten Prognosen vom Sonntagabend lieferten sich die radikalen Linken, die die Sparauflagen für das Land ablehnen und damit einen Staatsbankrott und Euro-Austritt Griechenlands provozieren, mit den gemäßigten Konservativen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Flexibilität
Zuvor hatten die Euro-Retter dem hoch verschuldeten Land kurz vor der Wahl die Hand entgegengestreckt: Über die Laufzeit der Athener Sparprogramme könne noch einmal diskutiert werden - über die Inhalte aber nicht, zitierte das Magazin «Focus» aus der Umgebung des Eurogruppen-Chefs Jean-Claude Juncker.
Juncker hatte sich bereits vor der Parlamentswahl im Mai dafür ausgesprochen, den Griechen gegebenenfalls ein Jahr mehr Zeit zu geben, den im Gegenzug für die Milliardenhilfen vereinbarten harten Sparkurs umzusetzen. Auch der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger deutete in der «Welt am Sonntag» ein Entgegenkommen an: «Die Griechen müssen ihre Zusagen einhalten. Was den Inhalt angeht, gibt es keine Flexibilität, in Hinsicht auf die Umsetzung aber schon.»
Die Nervosität an den Finanzmärkten ist nicht nur wegen Griechenland, sondern auch angesichts der Probleme in Spanien und Italien derzeit extrem hoch. Die Renditen der Staatsanleihen beider Euro-Sorgenkinder waren in der vergangenen Woche weiter gestiegen. Damit wird es immer teurer für die Regierungen, neue Kredite zur Schuldenfinanzierung am Markt aufzunehmen.
Alles Geld abheben?
Es wurde erwartet, dass sich die Spitzenpolitiker des Euroraums noch am Sonntagabend über Konsequenzen aus den Wahlen in Griechenland austauschen würden. Als gefährlichstes Szenario gilt ein sogenannter Bank-Run, bei dem Griechen massenhaft ihre Sparguthaben abheben und damit auch in anderen Krisenländern Panik auslösen. Auf EU-Ebene soll daher auch bereits über sogenannte Kapitalverkehrskontrollen, die den Transfer oder auch das Abheben von Geld einschränken, diskutiert worden sein. Sie sind jedoch rechtlich umstritten.
Weltbankpräsident Robert Zoellick forderte die Mitglieder der Eurozone auf, schnell Reformen umzusetzen. Dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» sagte er: «Europas Politiker handeln immer einen Tag zu spät und versprechen einen Euro zu wenig.» Wenn Europa weiter so schwächele, werde es an globalem Einfluss verlieren.
Auch der Chef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, kritisierte das bisherige Krisenmanagement der Eurogruppe und damit indirekt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). «Wir haben keine ausreichende Maßnahme getroffen, um ein Übergreifen der Eurokrise zu verhindern. Die sogenannte Brandmauer wird wenig nützen, um den Euro zu bewahren», sagte Verhofstadt dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Samstag).
Eurobonds light
Führende Vertreter von EU und Europäischer Zentralbank (EZB) arbeiten einem Bericht des «Spiegel» zufolge an einer Art Light-Variante von gemeinschaftlichen Staatsanleihen, im Fachjargon Eurobonds, zur Kriseneindämmung. Eine Stellungnahme war am Sonntag in Brüssel dazu zunächst nicht zu bekommen. Dem Magazin zufolge geht es um sogenannte Eurobills - gemeinsame Anleihen mit nur kurzer Laufzeit und begrenzter Summe.
Die Idee sei, dass sich dabei jeder Staat bis zu einem bestimmten Prozentsatz seiner Wirtschaftsleistung mittels Eurobills finanzieren dürfe. Wer die Regeln nicht einhalte, würde im nächsten Jahr vom Handel mit den Papieren ausgeschlossen, hieß es. Die Verfechter der Idee hoffen laut «Spiegel», mit ihrem Modell die deutsche Regierung überzeugen zu können. Deutschland lehnt Eurobonds in jedweder Form bisher ab.
Frankreichs sozialistischer Präsident François Hollande fordert indes rund 120 Milliarden Euro als Wachstumsspritze für Europas Wirtschaft. Die Sonntagszeitung «Le Journal du Dimanche» zitiert aus einem ihr vorliegenden elfseitigen Schreiben Hollandes an Merkel und andere europäische Staatschefs: «Schnelle Wachstumsmaßnahmen in einem Volumen von 120 Milliarden Euro müssten ab Juni vom EU-Rat beschlossen werden.» Frankreich will der vor allem von Deutschland vorangetriebenen Spardisziplin in Krisenländern mehr Wachstumsimpulse zur Seite stellen.
dpa - Bild: Louisa Gouliamaki (epa)