Hohe Diplomatie und brutale Gewalt: Trotz massiver internationaler Kritik an der russischen Syrien-Politik ist ein Einlenken Moskaus nicht in Sicht. Präsident Wladimir Putin sagte zwar nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin zur Lage in Syrien: "Wir haben uns geeinigt, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Eskalation der Gewalt zu verhindern." Härtere Sanktionen lehnte Putin aber ab. Das Blutvergießen in dem arabischen Land geht weiter, Syrien droht in einen Bürgerkrieg zu versinken.
Die Kanzlerin betonte, in der Beurteilung der Lage in Syrien sei sie sich mit Putin einig: "Es sind dort zur Zeit schreckliche Zustände." Sie fügte aber hinzu, dass es hier dennoch "ab und zu" Unterschiede zwischen ihr und Putin gebe. Jeder müsse seinen Beitrag leisten, dass ein Bürgerkrieg verhindert werde. "Wir setzen dabei auf eine politische Lösung", betonte sie.
Putin mahnte zu Geduld und forderte, den Friedensplan des Syrien- Sondergesandten Kofi Annan nicht aufzugeben. "Die Mission Annans darf nicht scheitern", sagte Putin. Er wies Vorwürfe zurück, wonach Moskau Syrien Waffen liefere und das Regime unterstütze. Russland liefere keine Waffen an Syrien, die in einem Bürgerkrieg zum Einsatz kommen könnten, beteuerte er. Und auch wenn es gute und langjährige Beziehungen zu Damaskus gebe, unterstütze Moskau keine der Konfliktparteien in Syrien.
Moskau widersetzt sich im UN-Sicherheitsrat schärferen Sanktionen wie auch einem möglichen Eingreifen der Vereinten Nationen zur Beendigung des Blutvergießens in dem Land. "Im Großen und Ganzen glaube ich, dass eine politische Lösung gefunden werden kann", sagte Putin.
Mindestens 26 Menschen getötet
In Syrien dreht sich indessen die Spirale der Gewalt unvermindert weiter. Ein Ultimatum, das ein Rebellenkommandeur dem Regime von Präsident Baschar al-Assad gestellt hatte, lief am Freitag ab, ohne dass die Armee ihre Angriffe auf Wohnviertel beendet hätte.
Aktivisten berichteten, am Freitag seien landesweit mindestens 26 Menschen getötet worden. Die meisten Opfer gab es den Angaben zufolge in Daria im Umland von Damaskus. Dort sollen die Regierungstruppen zehn Männer erschossen haben. Neun Leichen seien von den Sicherheitskräften fortgeschafft worden, hieß es.
In der Provinz Homs sollen am Vortag zwölf Arbeiter eines Saatgut-Betriebes aus einem Bus gezerrt und in einer Kaserne umgebracht worden sein. Nach Angaben der sogenannten Revolutionskomitees wurden die Arbeiter im Dorf Al-Bueidha verschleppt und in die Kaserne von Katiene gebracht. Dort sollen sie von Angehörigen der sogenannten Schabiha-Miliz gefoltert und getötet worden sein. Ein Offizier habe angeordnet, die Leichen zu einer nahe gelegenen Straßensperre zu bringen.
Demonstranten gedenken massakrierter Kinder
Tausende Menschen folgten am Freitag einem Aufruf zu Protestdemonstrationen im Gedenken an die getöteten Kinder von Al-Hula. In der syrischen Ortschaft waren vor einer Woche mehr als 100 Menschen getötet worden, darunter nach jüngsten UN-Angaben 49 Kinder und 34 Frauen. Tausende Menschen flohen nach Angaben des Roten Kreuzes in Todesangst aus der Region. "Die Menschen haben alles zurückgelassen und sind um ihr Leben gerannt", sagte Marianne Gasser, die Leiterin der Syrien-Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).
Die Verantwortlichen für Gräueltaten in Syrien müssen nach Ansicht der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gebracht werden. "Ich fordere den UN-Sicherheitsrat dringend auf, den Fall Syrien dem Internationalen Strafgerichtshof zu übertragen", erklärte Pillay bei einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrates zur Gewalt in Syrien. Dem Menschenrechtsrat lag eine Resolution vor, mit der die Regierung in Damaskus einmal mehr verurteilt werden sollte.
Die Mehrheit der Deutschen hat sich in einer Umfrage gegen ein militärisches Eingreifen in Syrien ausgesprochen. In einer repräsentativen Emnid-Umfrage für den Nachrichtensender N24 befürworten nur 23 Prozent von rund 1000 Befragten einen Militärschlag gegen das Regime in Damaskus. 69 Prozent glauben noch an eine diplomatische Lösung.
dpa/sh - Bild: John MacDougall (afp)