Bei der ägyptischen Präsidentschaftswahl haben sich ein Islamist und ein Vertreter des alten Regimes von Ex-Präsident Husni Mubarak für die Stichwahl qualifiziert. Das geht aus inoffiziellen Verlautbarungen der Wahlkommission und Zählungen ägyptischer Medien hervor, die am Freitag veröffentlicht wurden. Danach erreichte keiner der insgesamt 13 Kandidaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, um sofort die Nachfolge des im Februar 2011 gestürzten Mubarak anzutreten.
In der Stichwahl am 16. und 17. Juni tritt damit der Kandidat der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, gegen den früheren Luftfahrtminister und Ministerpräsidenten Ahmed Schafik, an. Das sagte ein Mitglied der Wahlkommission nach der Auszählung von 90 Prozent der Stimmen.
Mursi erhielt nach inoffiziellen Angaben rund 28 Prozent der Stimmen, Schafik etwa 24 Prozent. Den dritten Platz belegte der linke Aktivist Hamdien Sabbahi, gefolgt von dem unabhängigen Islamisten Abdel Moneim Abul Futuh und dem früheren Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa. Das offizielle Ergebnis der Wahl soll am Sonntag veröffentlicht werden.
Mursi als Sieger gefeiert
Die Muslimbrüder, die seit den Wahlen zur Jahreswende bereits im Parlament die größte Fraktion stellen, feierten ihren Kandidaten Mursi schon in der Nacht zum Freitag als Sieger. Er werde mit Schafik in die Stichwahl gehen, erklärte Mursi vor der Presse in Kairo. Die Unterstützer der "Revolution", die im Februar 2011 zum Rücktritt von Langzeitpräsident Mubarak geführt hatte, bezeichneten das Wahlergebnis als "Katastrophe".
Die erste ägyptische Präsidentenwahl, bei der das Ergebnis nicht schon vorher feststand, war nicht nur von den Ägyptern, sondern auch von westlichen Regierungen, als historisches Ereignis gefeiert worden. 52 Millionen Ägypter konnten erstmals in einer freien und von echtem Wettbewerb geprägten Wahl über den ersten Mann im Staat bestimmen. Die Wahlbeteiligung lag nach inoffiziellen Angaben bei rund 50 Prozent. Zwar gab es an den beiden Wahltagen am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche etliche Berichte über Wählermanipulation vor und in den Wahllokalen. Doch es blieb friedlich. Und anders als in der Mubarak-Ära beschwerte sich diesmal niemand über Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmen.
Der ägyptische Nobelpreisträger Mohammed al-Baradei hatte vor der Wahl das Land verlassen. Er erklärte nach Angaben des Nachrichtenportals "al-Ahram": "Ich kann nicht für einen Präsidenten stimmen, dessen Machtbefugnisse ich nicht kenne." Denn in den nächsten Wochen soll Ägypten nicht nur einen neuen Präsidenten erhalten, sondern auch eine neue Verfassung. Diese wird dann möglicherweise eine Neuverteilung der Macht zwischen Parlament, Präsident und Armee beinhalten. Der Oberste Militärrat, der nach dem Abgang von Mubarak die Macht übernommen hatte, will sich Ende Juni aus der Politik zurückziehen.
dpa/mh - Bild: Odd Andersen/Khaled Desouki (afp)