Der neue französische Präsident François Hollande hält sich nicht mehr an den Zeitplan der Nato für den Abzug der internationalen Soldaten aus Afghanistan. Er werde die französischen Kampftruppen schon bis Ende 2012 abziehen, sagte er am Freitag US-Präsident Barack Obama in Washington. Das ist zwei Jahre früher als bisher vereinbart.
Hollandes Ankündigung kam zwei Tage vor dem Nato-Gipfel in Chicago, bei dem der Abzug der Afghanistan-Schutztruppe bis Ende 2014 bekräftigt werden sollte. Bisher hatte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ebenso wie US-Verteidigungsminister Leon Panetta offiziell stets erklärt, die Verbündeten sollten gemeinsam aus Afghanistan abziehen. Insgesamt sind derzeit knapp 130.000 Soldaten aus 50 Staaten in der Afghanistan-Schutztruppe Isaf stationiert.
Abzug der Kampftruppen bis Ende 2012
Diplomaten erwarteten, dass die Gipfelteilnehmer sich nun beim Gipfel bemühen würden, Meinungsunterschiede zu übertünchen. Hollande sagte, er habe dem französischen Volk versprochen, die Kampftruppen bis Ende 2012 abzuziehen. Er versicherte, Frankreich werde "in anderer Weise zur Sicherheit Afghanistans beitragen": "Wir werden ein anderes Format suchen." Hollande machte keine Angaben darüber, wie viele der insgesamt 3400 Soldaten seines Landes er zu den Kampftruppen rechnet.
"Das alles wird in gutem Einvernehmen mit unseren Isaf-Verbündeten geschehen", sagte er lediglich. "Ich bin ziemlich sicher, dass wir die richtigen Mittel finden werden, damit unsere Verbündeten den Einsatz fortsetzen können und damit ich der Verpflichtung gegenüber dem französischen Volk gerecht werden kann." Hollande machte keine näheren Angaben.
Obama sagte, er hoffe, dass Hollande in der US-Regierung nicht nur einen Partner beim Bemühen um mehr Wohlstand für das französische Volk, "sondern auch im Bemühen und Frieden und Sicherheit in der Welt" sehen werde.
Führungsrolle in Afghanistan nach 2014
Im Januar hatte der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy gesagt, er wolle 1000 Soldaten bis Ende 2012 abziehen, den Rest bis Ende 2013. Dieser Plan war nach Angaben von Diplomaten im Bündnis heftig kritisiert worden. Das "andere Format", das Hollande erwähnte, könnte bedeuten, dass Frankreich bereit ist, in Afghanistan eine Führungsrolle nach 2014 zu übernehmen. Dann sollen internationale Ausbilder und Berater sich um die afghanischen Sicherheitskräfte kümmern. Auch diese ausländischen Militärs müssen von Kampftruppen geschützt werden. Frankreich hat bereits angekündigt, es werde Ausbilder entsenden.
Auch eine stärkere Beteiligung an den jährlichen Kosten für den Unterhalt der Armee und Polizei Afghanistans, die insgesamt auf 4,1 Milliarden Dollar geschätzt werden, wäre denkbar, sagten Diplomaten. Beim Gipfel in Chicago geht es es auch darum, dass die Verbündeten mitteilen, wieviel Geld sie zu diesen Kosten beitragen wollen.
Seit Oktober 2011 hat Frankreich bereits 600 Soldaten abgezogen, ohne dass dies in der breiten Öffentlichkeit bemerkt worden wäre. Zudem sieht der Zeitplan der afghanischen Regierung vor, dass in der östlichen Provinz Kapisa, in der die französischen Soldaten eingesetzt sind, die Sicherheitsverantwortung im Laufe des Jahres 2013 übergeben wird. Französische Militärs haben darauf hingewiesen, dass ein Abzug der Truppen aus technischen Gründen bis Ende 2012 nicht möglich sein wird.
dpa/okr - Bild: Yoan Valat (afp)