Keine zehn Tage ist es her, dass die Griechen gewählt haben - mit dem Ergebnis, dass das Land auf der Stelle tritt. Die Politiker sind zerstritten wie zuvor. Die Reformen müssen warten. Das Geld in den Kassen wird knapper. Die Geldgeber werden ungeduldig. Neuwahlen sollen nun die Richtung weisen.
Nach dem letzten Treffen mit Staatspräsident Karolos Papoulias kamen die Vorsitzenden der griechischen Parteien am Dienstag sichtlich genervt aus dem Präsidialgebäude.
Die Träume von einer pro-europäischen Koalition, die weiteren Schaden von dem Land abwenden könnte, waren zerplatzt. Und jeder gab jedem die Schuld. Denn jeder hatte eine andere Interpretation des Wählerwillens, wie er sich im Ergebnis der vorgezogenen Wahl vom 6. Mai niedergeschlagen hatte.
Was wollte der Wähler?
Keiner soll allein regieren, arbeitet endlich zusammen, haltet das Land in der Eurozone und versucht, die unerträglich harten Sparmaßnahmen zu lindern - so lautete die Interpretation der Sozialisten und der Konservativen. Um den Vorsitzenden der Linksradikalen, den politischen Senkrechtstarter Alexis Tsipras, auf ihre Seite zu ziehen, waren sie selbst dazu bereit, ihm die Führung anzutragen.
Konservative und Sozialisten boten Tsipras an, sie würden eine Regierung der Linksradikalen unterstützen. Er solle nach Brüssel gehen und die Rettung des Landes aushandeln - gemäß seiner Zauberformel: «Meine Schulden zahle ich nicht.» Das Linksbündnis winkte dankend ab. «Die Konservativen und die Sozialisten werden uns bei der erst besten Gelegenheit ein Bein stellen», lautete die Begründung.
Auch ein Vorschlag der kleinen Schwesterpartei, der Demokratischen Linken, konnte die Linksradikalen nicht überzeugen. Demnach sollten alle vier pro-europäischen Parteien - Konservative, Sozialisten, Linksradikale und Demokratische Linke - eine breite Regierung bilden und mit Geldgebern und Partnern in der EU eine Lockerung des harten Sparprogramms aushandeln.
Sparprogramm auf Eis legen
Doch die Linksradikalen, die sich als stärkste Kraft nach den Konservativen unter Antonis Samaras als die eigentlichen Gewinner der Parlamentswahl sehen, wollten ihr frisch gewonnenes Kapital nicht gleich wieder aufs Spiel setzen. Eine Kooperation mit denjenigen, die das Land mit Korruption und Vetternwirtschaft an den Rand des Abgrundes geführt hätten, komme nicht infrage. Ihre Interpretation des Wählerwillens: Das Sparprogramm soll auf Eis gelegt werden - koste es, was es wolle. Dies sei das Mandat, das ihnen das Volk gegeben habe.
«Aus dem Euroland kann uns niemand rausschmeißen», lautete eine ihrer immer wieder vorgetragenen Thesen. Viele Beobachter warfen den Linksradikalen deshalb vor, überheblich zu sein - und ihre Stärke zu verkennen. Sie seien zwar zweitstärkste Kraft im Parlament, hätten aber auch nur 16,8 Prozent der Stimmen bekommen.
"Tsipras ist nicht doof"
Doch ohne oder gegen sie - dieses Wagnis wollte keine der anderen Parteien eingehen. Jeder in Griechenland weiß, dass eine Regierung nicht lange überleben kann, wenn sie nicht zumindest von einer der beiden größeren Linksparteien - den Radikalen Linken oder den Kommunisten - unterstützt wird. Protest, Streiks, Straßenkämpfe sind in Griechenland kein unbekanntes Bild - und schnell ist das Schicksal einer Regierung besiegelt.
Da die Kommunisten nicht zur Unterstützung bereit waren, konzentrierten sich Konservative und Sozialisten auf die Linksradikalen, die sich pro-europäisch geben. Doch diese wollen mehr: «Tsipras ist nicht doof», sagt einer seiner engen Mitarbeiter. Jetzt habe seine Partei Aufwind und hoffe, noch mehr Stimmen aus den Heerscharen der Hunderttausenden Arbeitslosen einzufahren. Die kommenden Wahlen werden es zeigen. Beobachter meinen, diesmal sei es eine Wahl zwischen Euro und Drachme - der alten Währung. In jedem Fall wird die nächste Wahl die Zukunft des Landes auf Jahrzehnte hinaus bestimmen. Mögliches Datum der Schicksalswahl: der 17. Juni.
Euro is not amused
Der Kurs des Euro ist am Dienstag nach Meldungen über Neuwahlen beim schwer angeschlagenen Euromitglied Griechenland kräftig abgerutscht. Im Nachmittagshandel fiel die Gemeinschaftswährung unter die Marke von 1,28 US-Dollar und erreichte bei 1,2769 Dollar zeitweise den tiefsten Stand seit Mitte Januar.
«Am Devisenmarkt geht die Hängepartie um die Griechenland-Rettung in eine neue Runde und das belastet den Euro», begründete Devisenexperte Stephan Rieke von der BHF-Bank die starken Kursverluste der Gemeinschaftswährung. Rieke sprach mit Blick auf die weitere Entwicklung der Griechenland-Krise von einer schwierigen Situation. Für die Anleger gebe es einfach keine klare Orientierung, wie sich die Euro-Schuldenkrise weiter entwickeln könnte. Bei neuen schlechten Nachrichten aus der Eurozone besteht laut Rieke «das Risiko, dass der Euro weiter deutlich abrutschen könnte».
dpa - Bild: Aris Messinis (afp)