Die Spitzengremien der Parteien beraten heute (Montag) in Berlin und Düsseldorf über das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. In der CDU geht es nach dem historischen Fiasko an Rhein und Ruhr darum, wer neuer Landesvorsitzender wird, nachdem Spitzenkandidat Norbert Röttgen noch am Wahlabend zurückgetreten war. Schon wird auch sein Rücktritt als Bundesumweltminister gefordert.
Aber auch bei der SPD dürfte eine Debatte darüber losbrechen, ob die Wahlsiegerin Hannelore Kraft trotz aller Absagen nicht doch als Kanzlerkandidatin in Frage kommt. Bei der FDP und bei den Linken läuft die Diskussion um die Führungsspitze im Bund ohnehin schon.
Bei der Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland hatten sich SPD und Grüne eine klare Mehrheit gesichert, nachdem sie bisher nur eine Minderheitsregierung bilden konnten. Die CDU stürzte auf ein Rekordtief im Land. Die bundesweit schwächelnde FDP blieb gestärkt im Landtag. Die Linke scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. Der Piratenpartei gelang der Sprung ins vierte Landesparlament.
Das vorläufige amtliche Endergebnis in Zahlen: SPD 39,1 Prozent (2010: 34,5), CDU 26,3 (34,6), Grüne 11,3 (12,1), FDP 8,6 (6,7), Piratenpartei 7,8 (1,6), Linke 2,5 Prozent (5,6). Rot-Grün hat damit eine Mehrheit von 128 Sitzen gegen 109 der Opposition. Die Wahlbeteiligung lag mit 59,6 Prozent auf dem Niveau von 2010 (59,3).
Die Forschungsgruppe Wahlen befand in ihrer Analyse, Rot-Grün habe gezeigt, dass trotz Konkurrenz durch die Piraten eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb möglich sei. Das Ergebnis sage aber "noch lange nichts darüber aus, wie die Bundestagswahl ausgeht".
Kritik an Röttgen
In der Union wurde besonders kritisiert, dass Röttgen sich im Wahlkampf nicht festgelegt hatte, ob er auch bei einer Niederlage nach Düsseldorf geht. Der Unionsfraktionsvize im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), sagte im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag): "Das ist der Denkzettel dafür." CSU-Chef Horst Seehofer stellte indirekt Röttgens Eignung als Bundesumweltminister in Frage. "Die Menschen wollen endlich Antworten hören, wie es mit der Energiewende weitergehen soll, und sie wollen sehen, dass wir aufs Tempo drücken. Ich hoffe, dass der Bundesumweltminister mit dieser Herausforderung anders umgeht als mit dem Wahlkampf in NRW", sagte Seehofer der "Bild"-Zeitung (Montag).
SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil forderte gar Röttgens Rücktritt vom Kabinettsposten. "Röttgen war nicht nur als Spitzenkandidat überfordert. Er ist es auch als Minister bei der Energiewende. Auch hier sollte er Konsequenzen ziehen", sagte Heil der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf.
CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier sagte der "Leipziger Volkszeitung" (Montag), nun werde man sich "damit beschäftigen, wie die Arbeit auf Bundesebene weitergeht". Spekulationen über Posten und Personen seien "dabei nicht hilfreich". Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), beklagte im "Kölner Stadt-Anzeiger" vor allem "eine Addition von Debatten, mit denen wir die Wähler verunsichern". Er nannte den Streit um das Betreuungsgeld und die Solarförderung. "So wichtig es ist, dass wir in neue Wählerschichten vorstoßen, so wichtig ist es, dass wir uns um die Stammwähler kümmern."
Bei der FDP richtet sich das Augenmerk auf den angeschlagenen Vorsitzenden Philipp Rösler, dem der Wahlsieg zwar eine Verschnaufpause verschafft - zugleich aber den NRW-Spitzenkandidaten Christian Lindner stärkt, der bereits als ein potenzieller Nachfolger gehandelt wird. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung drängen führende Freidemokraten bereits darauf, dass Lindner einer von Röslers Stellvertretern wird.
Bei den Linken verschärfte der erneute Misserfolg den internen Machtkampf noch. Bereits für diesen Montag wurde eine Erklärung des früheren Parteichefs Oskar Lafontaine erwartet, ob er wieder antritt. Sein Gegner, Fraktionsvize Dietmar Bartsch, hatte am Wahlabend bekräftigt, für die neue Doppelspitze aus einem Mann und einer Frau zu kandidieren. Die Wahl der Parteispitze steht Anfang Juni an.
Laschet lässt Kandidatur für CDU-Vorsitz in NRW offen
Nach dem Wahldebakel in NRW lässt der Vizechef der nordrhein-westfälischen CDU, Armin Laschet, offen, ob er Nachfolger des zurückgetretenen Landesvorsitzenden Norbert Röttgen werden will. Zunächst müssten sich alle verständigen, "wie wir es machen", sagte Laschet am Montag im WDR-Hörfunk. Nötig seien nun "ein, zwei Tage Zeit zum Nachdenken". Nach der Wahlniederlage am Sonntag war CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen als Landesvorsitzender zurückgetreten. Vor zwei Jahren hatte Laschet eine Mitgliederbefragung um den Vorsitz der NRW-CDU gegen Röttgen verloren.
"Ich glaube schon, dass man auf Dauer eine Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nur gewinnen kann, wenn man im Land Verantwortung trägt", sagte Laschet. Dies sei sowohl bei Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SDP) sowie deren Vorgänger Jürgen Rüttgers (CDU) so gewesen, die beide vor ihrer Zeit als Regierungschef Oppositionsführerer waren. Laschet sprach nach dem Wahldebakel seiner Partei von einem "bitteren Tag".
In den nächsten Tagen werde man zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, sagte Laschet im Deutschlandfunk. "Solche Dinge darf man nicht aus dem Ärmel schütteln."
Landtag: Aachener Region mit mindestens 17 Abgeordneten vertreten
Die SPD ist auch in der Region klarer Gewinner der Landtagswahl. Demnach erorberte Daniela Jansen von der Aachener SPD einen Sitz im Landtag. Sie konnte sich gegen ihren favorisierten CDU Konkurrenten Armin Laschet durchsetzen. Laschet wird dennoch über die Liste in den Landtag einziehen. Genauso wie Reiner Priggen von den Aachener Grünen oder Axel Wirtz von der CDU, der sein Direktmandat in der Städteregion an die SPD abgeben musste.
Von den neun zu vergebenden Landtagsmandaten hat die SPD fünf gewonnen, bei der letzten Landtagswahl waren es zwei. Sowohl der Dürener Norden als auch die vier Mandate in der Städteregion und der Stadt Aachen gingen an die SPD. Die CDU muss sich mit lediglich vier Direktmandaten begnügen, bei der letzten Landtagswahl waren es noch sieben. Bemerkenswert auch, dass zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Sozialdemokraten im Heinsberger Norden insgesamt mehr Zweitstimmen bekamen als die CDU. Die Zahl der Abgeordneten aus der Aachener Region hat deutlich zugelegt: Waren es 2010 noch elf Abgeordnete, werden es nach WDR-Informationen jetzt voraussichtlich mindestens 17 sein.
CDU in Aachen geschockt
Knapp neun Prozentpunkte Stimmenverlust haben die CDU dort auf ein historisches Tief von 24,3 Prozent absinken lassen. Den größten Stimmenzuwachs dagegen verzeichneten die Piraten. Sie konnten knapp sechs Prozentpunkte zulegen und kommen damit auf knapp zehn Prozent, auch die SPD konnte Stimmen gewinnen ebenso wie die FDP. Entgegen allen Erwartungen legte sie knapp drei Prozentpunkte zu und kam auf fast neun Prozent. Keine Veränderungen gab es dagegen bei den Grünen, die ihr Wählerpotential mit knapp 18 Prozent halten konnten.
Die Monschauer Bürgermeisterin Margareta Ritter sprach von einem "verheerenden Ergebnis für die CDU". Der Eifel-Comedian Hubert vom Venn, der in seinem Heimatort Roetgen als Direktkandidat für die Freien Wähler antrat, brachte es immerhin auf 4,36 Prozent der Stimmen.
dpa/drs/jp/rkr - Archivbild: Nic Bothma (epa)