Die algerischen Islamisten haben ihren erhofften erdrutschartigen Sieg bei der Parlamentswahl in Algerien verfehlt. Die aus drei gemäßigt islamistischen Parteien bestehende Allianz "Grünes Algerien" wurde mit 48 Sitzen nur drittstärkste Kraft. Mit Abstand stärkste Partei wurde wieder die FLN des Präsidenten Abdelaziz Bouteflika. Das teilte das algerische Innenministerium am Freitag mit.
Die seit der Unabhängigkeit vor 50 Jahren regierende FLN verfehlte mit 220 Sitzen die absolute Mehrheit in der 462 Sitze umfassenden Volksvertretung. Sie behält jedoch gemeinsam mit ihrem Partner RND des Ministerpräsidenten Ahmed Ouyahia eine komfortable Mehrheit. Die RND (Demokratische Nationale Sammlung) wurde mit 68 Sitzen zweitstärkste Partei. Ouyahia bezeichnete die Wahl am Donnerstag als wichtige Etappe der Demokratie in Algerien im 50. Jahr der Unabhängigkeit des Landes von Frankreich.
Frankreich würdigte den weitgehend störungsfreien Ablauf der Wahlen. "Wir begrüßen die Bemühungen um Transparenz durch die Aufnahme einer Beobachtermission der Europäischen Union", erklärte das Pariser Außenministerium. Nun warte man auf deren Bericht.
Die seit 1963 - zunächst illegal - existierende FFS (Front der sozialistischen Kräfte) kam ebenso wie die Arbeiterpartei auf 21 Sitze. Die FFS hat ihre Basis im Berbergebiet der Kabylei. Sie hatte die vergangene Wahl boykottiert. Die übrigen Mandate gingen an Kleinparteien und unabhängige Kandidaten.
Insgesamt 145 der gewählten Abgeordneten sind Frauen. 68 davon gehören der FLN an, 23 der RND sowie 48 dem Islamistenbündnis. Die Ergebnisse sind noch vorläufig, da sie noch vom Verfassungsrat gebilligt werden müssen. Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei 42,36 Prozent und damit deutlich höher als vor fünf Jahren (36,6 Prozent)."Mit dieser außergewöhnlichen Beteiligung hat das algerische Volk eine große Herausforderung gemeistert", sagte Innenministerminister Dahou Ould Kablia. Die politische Macht des Parlaments ist allerdings beschränkt.
Erster demokratischer Urnengang seit Langem
Es war der erste demokratische Urnengang seit Aufhebung des langjährigen Ausnahmezustands vor 15 Monaten in dem Erdöl-Staat. Die Abstimmung im flächenmäßig größten Land Afrikas verlief trotz vereinzelter Zwischenfälle relativ ungestört. Rund 500 internationale Beobachter - von EU und Afrikanischer Union bis zur Arabischen Liga - hatten sie überwacht. Wahlberechtigt waren 21 Millionen der 39 Millionen Algerier. In den 48 Wahlkreisen bewerben sich 44 Parteien und 211 unabhängige Kandidaten um 462 Mandate.
Der Arabische Frühling mit seinem politischen Umwälzungen ist an Algerien weitgehend vorbeigegangen. Zwar kam es auch dort zu Protesten. Nach wirtschaftlichen Zugeständnissen an die Bevölkerung gab es allerdings keine Massenbewegung. Algerien leidet noch unter dem Trauma des jahrelangen blutigen Bürgerkrieges in den 1990er Jahren gegen radikalislamische Untergrundkämpfer, bei dem je nach Angaben zwischen 100.000 und 200.000 Menschen getötet worden waren.
dpa - Bild: Farouk Batiche (afp)