Der blinde chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng befürchtet Vergeltungsaktionen gegen seine Familie und Unterstützer. "Ich kenne die Situation nicht genau, aber es ist ein wirklich schlimmer Rachefeldzug", sagte der Aktivist am Donnerstag vom Krankenhaus in einem Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Peking.
Er habe noch keine Nachricht, wann er wie geplant zum Studium in die USA ausreisen könne, sagte der 40-Jährige aus dem Chaoyang Hospital, wo er wegen einer Fußverletzung behandelt wird. Voraussichtlich müsse er aber nicht in seine Heimatprovinz Shandong zurück, um einen Pass zu beantragen. "Niemand hat davon etwas gesagt." Vor seinem Ausreiseantrag habe er noch nicht wieder gehört.
Neffe in Gewalt lokaler Behörden
In seiner Heimat sei sein Neffe Chen Kegui in der Gewalt lokaler Behörden. Dessen Frau sei seit Tagen nicht mehr gesehen worden. "Auch andere sind in Gefahr", sagte Chen Guangcheng. "Chen Keguis Mutter und Vater sind bedroht worden." Auch der Anwalt seines Neffen sei in seiner Arbeit "beschränkt" worden.
Der Neffe war nach der Flucht des Bürgerrechtlers festgenommen worden, als er sich nach eigenen Angaben mit einem Messer gegen Schläger verteidigen wollte, die mit örtlichen Funktionären in sein Haus eingedrungen waren. Der blinde Aktivist befürchtet, dass Angehörige und Freunde weiter unter Druck gesetzt werden, auch wenn er das Land verlassen haben sollte. "Egal ob ich weg oder noch hier bin, es wird weiter Vergeltung geübt werden."
Der 40-Jährige war vor zwei Wochen aus 19 Monaten Hausarrest in seinem Heimatdorf Dongshigu in der Provinz Shandong mit Hilfe von Freunden in die US-Vertretung in der Hauptstadt geflüchtet. Damit hatte er eine diplomatische Krise ausgelöst. Nach sechs Tagen verließ er die Botschaft unter Zusagen, um mit seiner Familie vereint zu werden. Aus Angst um seine Sicherheit entschied er sich dann doch für die Ausreise.
Freunde und Unterstützer in Shandong in Gefahr
Auch seine Freunde und Unterstützer in Shandong seien jetzt in Gefahr, sagte der Bürgerrechtler. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden schon mehrere von ihnen verhört. Unter ihnen seien Ni Wenhua, ein Aktivist, sowie Liu Guohui, der mehrmals versucht habe, Chen Guangcheng während seines Hausarrests zu besuchen, berichtete die Organisation China Human Rights Defenders (CHRD). Genannt wurden auch Freunde wie Che Hongnian und Zhang Jinfeng. Einige wie auch Professor Sun Wenguang seien unter Hausarrest gestellt worden, hieß es weiter.
Ein Aktivist, der sich einst für Chen Guangcheng eingesetzt hatte, wurde in der ostchinesischen Stadt Nanchang (Provinz Jiangxi) festgenommen. Der Vorwurf gegen You Minglei lautet "Untergrabung der Staatsgewalt", wie sein Vater der dpa berichtete. Sein Sohn hatte Ende April an einer Universität in Nanchang Flugblätter mit der Aufschrift "Lehne Kommunismus ab und liebe dein Land" sowie Forderungen nach Demokratie und Freiheit verteilt, wie die Organisation Human Rights in China (HRiC) berichtete.
dradio/mh - Archivbild: afp