Ungeachtet der seit zwei Wochen geltenden Waffenruhe in Syrien gehen nach Angaben von Sondervermittler Kofi Annan die Angriffe der Regierungstruppen auf die Zivilbevölkerung weiter. So gebe es Berichte über ein Blutbad in der Stadt Hama, zu dem es gekommen sei, nachdem UN-Beobachter die Stadt wieder verlassen hätten. Annan nannte die Situation am Dienstag in einer geschlossenen Sitzung des UN-Sicherheitsrates nach Angaben von Diplomaten "absolut inakzeptabel".
Nur wenn sich die bislang elf UN-Beobachter in der näheren Umgebung befänden, gehe die Gewalt zeitweise zurück. In anderen Gegenden werde das Blutvergießen hingegen unvermindert fortgesetzt. Deshalb müsse die Zahl der Beobachter schnell erhöht werden. Eine stärkere Präsenz der Vereinten Nationen könne die Dynamik der Situation vor Ort verändern.
Der Sicherheitsrat hatte am Samstag die Entsendung von bis zu 300 unbewaffneten Beobachtern beschlossen. Derzeit ist nur ein Vorauskommando im Land. Deutschlands UN-Botschafter Peter Wittig sagte, dass bei aller Unterstützung für die Beobachtermission die "UN nicht zum Spielball des syrischen Regimes werden dürfen". Es käme entscheidend auf den politischen Willen in Damaskus an, die Gewalt zu beenden. Dieser sei bislang, trotz aller Lippenbekenntnisse, nicht zu erkennen.
Westliche Delegationen hatten sich Teilnehmern zufolge angesichts der fortdauernden Gewalt außerordentlich besorgt gezeigt. Besondere Verärgerung habe hervorgerufen, dass der syrische Außenminister Walid al-Muallim gegenüber Annan den Rückzug der schweren Waffen und Truppen als "abgeschlossen" bezeichnet habe, während sowohl Satellitenaufnahmen als auch eigene Berichte der UN-Beobachter das Gegenteil belegten.
Bombe in Damaskus detoniert
Mitten in der Hauptstadt Damaskus detonierte am Dienstag eine Bombe, die in einem zivilen Geländewagen der Armee platziert worden war. Ein Krankenhausarzt sagte, der Fahrer des Wagens sei lebensgefährlich verletzt worden, als der Sprengsatz auf dem zentralen Al-Mardsche-Platz explodierte. Oppositionelle sprachen nach Angaben des US-Fernsehsenders CNN von mindestens 35 Toten am Dienstag.
15 Soldaten sollen am Dienstag in der Provinz Idlib gemeinsam desertiert sein. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, ein hochrangiger Funktionär des Geheimdienstes sei in Damaskus ermordet worden. In dem Vorort Sajjida Zeinab habe es ein Gefecht zwischen den Regierungstruppen und Deserteuren gegeben. Seit Beginn des Aufstandes gegen Präsident Baschar al-Assad im März 2011 sollen mehr als 9000 Menschen getötet worden sein.
Das Welternährungsprogramm (WFP) verteilt derzeit nach eigenen Angaben Nahrungsmittelhilfe an 100.000 Menschen in Syrien. In den kommenden Wochen soll die Hilfe 500.000 Menschen zugutekommen. Voraussetzung sei allerdings, dass die Helfer Zugang zu den Bedürftigen erhielten, erklärte eine WFP-Sprecherin.
Zweifel an UN-Beobachtermission in Syrien wachsen
Die Zweifel an einem Erfolg der UN-Beobachtermission in Syrien wachsen mit jedem Tag. Oppositionelle behaupteten am Mittwoch, auf jeden Besuch der Beobachter in einer Stadt oder einem Dorf folge eine Bestrafungsaktion der Regierungstruppen in dem Gebiet. Mehrfach seien dabei Massaker verübt worden.
In einem Internet-Forum der syrischen Opposition wurde kritisiert, die Beobachter hätten sich bei einem Besuch in der vormals umkämpften Ortschaft Al-Sabadani geweigert, Listen mit den Namen von Gefangenen und andere Dokumente der Bewohner entgegenzunehmen.
dpa/jp - Bild: Louai Beshara (afp)