Die Entscheidung dazu müsse bei den einzelnen Regierungen liegen. Das fordern Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und sein französischer Amtskollege Claude Guéant in einem Brief vom 17. April, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt und über den zuerst die "Süddeutsche Zeitung" (Freitag) berichtete.
Nach dem Schengen-Abkommen werden in 26 Ländern Europas die Grenzen grundsätzlich nicht mehr kontrolliert. Es gibt aber bereits heute Ausnahmen, bei denen zeitweise Grenzkontrollen möglich sind, zum Beispiel zum Schutz von Großereignissen. Ein Sprecher Friedrichs erklärte, dass dieser Ausnahmenkatalog nach dem Vorschlag der beiden Minister erweitert werden solle. Zeitweise Kontrollen sollen auch möglich sein, wenn ein Mitgliedstaat seiner Verpflichtung zum Schutz der Schengen-Außengrenzen nicht nachkommt und illegale Einwanderer in größerem Umfang in den Schengenraum kommen.
EU-Kommission beharrt auf ihren Schengen-Vorschlägen
Die EU-Kommission ist gegen einen gemeinsamen Vorstoß Deutschlands und Frankreichs, den Regierungen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengen-Raum für bis zu 30 Tage zu erlauben. "Wir versuchen, europäische Entscheidungen zu garantieren", sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Freitag in Brüssel. Die Kommission halte an ihren Vorschlägen, das kontrollfreie Überschreiten von Grenzen unter eine stärkere EU-Kontrolle zu stellen fest: "Wir wollen mehr Europa in Schengen."
Eine Überprüfung der Regeln für Grenzkontrollen steht derzeit auf der europäischen Tagesordnung. Grund ist ein Streit aus dem vergangenen Jahr: Frankreich kontrollierte zeitweise die Grenzen zum Nachbarland Italien mit der Begründung, die dortigen Behörden hätten den Zustrom nordafrikanischer Flüchtlinge nicht im Griff. Der Vorschlag aus Berlin und Paris soll nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" am Donnerstag bei einem Treffen der EU-Innenminister beraten werden. Eine Entscheidung dürfte aber frühestens im Juni fallen, sagte ein Vertreter der dänischen Ratspräsidentschaft der Zeitung.
Der Schengen-Raum - offene Grenzen und Ausnahmen
Das Abkommen von Schengen in Luxemburg beseitigte 1985 zunächst die Schlagbäume zwischen Deutschland, Frankreich und den Benelux-Ländern. Heute gehören 26 Staaten zum Schengengebiet ohne Kontrolle der Binnengrenzen. Neben 22 EU-Ländern (alle außer Irland, Großbritannien, Zypern, Bulgarien und Rumänien) sind das Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein. Die Landgrenzen des Schengen-Raums mit mehr als 400 Millionen Einwohnern sind mehr als 7700 Kilometer lang, die Seegrenzen knapp 42 700 Kilometer.
Der Schengen-Grenzkodex reguliert die praktische Arbeit. Darin werden auch Voraussetzungen genannt, unter denen ein Staat vorübergehend wieder Kontrollen einführen darf. Nach Artikel 23 kann ein Land "im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" für einen begrenzten Zeitraum an seinen Grenzen ausnahmsweise wieder Personen kontrollieren. Die Maßnahmen dürfen höchstens 30 Tage gelten oder so lange, wie die "schwerwiegende Bedrohung" andauert. Artikel 24 verpflichtet den Staat dazu, die anderen Mitgliedsländer und die EU-Kommission darüber zu informieren und die Gründe zu erläutern.
Die Schengen-Staaten nutzten diese Klausel zum Beispiel, um vor großen Sportveranstaltungen oder politischen Ereignissen zu kontrollieren. So wurde zum Nato-Gipfel in Straßburg und Baden-Baden 2009 das Schengen-Abkommen an der deutsch-französischen Grenze außer Kraft gesetzt. Auch während der Fußball-EM in der Ukraine und Polen wird an der deutsch-polnischen Grenze vorübergehend wieder kontrolliert.
Nach der Flüchtlingswelle aus Nordafrika Anfang 2011 hatten vor allem Italien und Frankreich eine Reform des Vertragstextes gefordert, um Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen. Als Dänemark im Sommer 2011 kurzzeitig wieder seine Grenzen nach Deutschland und Schweden kontrollieren wollte, gab es heftige Proteste der Bundesregierung.
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