Von Protesten überschattet ist in Hongkong ein neuer Regierungschef gewählt worden. Die Polizei ging am Sonntag gegen mehrere hundert Demonstranten vor, die das Konferenzzentrum stürmen wollten, in dem die Abstimmung stattfand. Die Proteste richteten sich gegen die Wahl des reichen Bauunternehmers Leung Chun-ying durch ein ausgesuchtes Wahlkomitee, das von der Oberschicht dominiert und stark unter dem Einfluss von Peking steht. Unter den Demonstranten waren Oppositionspolitiker, Studenten und Gewerkschafter.
Die Demonstranten kritisierten, dass die sieben Millionen Hongkonger nicht selber wählen durften. Die frühere britische Kolonie wird seit der Rückgabe an die Volksrepublik 1997 unter dem Motto "Ein Land, zwei Systeme" als chinesische Sonderverwaltungsregion und eigenständiges Hoheits- und Zollgebiet autonom regiert.
Der 57-jährige Leung erhielt 689 von 1050 abgegebenen Stimmen. Er wird von Peking unterstützt, gilt aber nicht als Wunschkandidat der Führung. In einem Wahlkampf, der von Skandalen und Vorwürfen wegen Korruption überschattet war, geriet ihr ursprünglicher Protegé, der frühere Finanzminister Henry Tang, in Bedrängnis, so dass Peking umschwenkte. Um einen reibungslosen Ablauf zu sichern, wurde in letzter Minute eine Mehrheit für Außenseiter Leung sichergestellt.
Wahlkomitee repräsentiert Wirtschaftssektoren und Berufsgruppen
Das mehr als 1000 Mitglieder zählende Wahlkomitee repräsentiert Wirtschaftssektoren und Berufsgruppen. Viele Wahlmänner und -frauen folgen den Empfehlungen aus Peking, hören aber zunehmend auf die öffentliche Meinung in Hongkong, das immerhin eine freie Presse behalten hat. Mitbewerber Henry Tang kam am Ende nur auf 285 Stimmen. Erwartungsgemäß blieb der Kandidat der demokratischen Opposition, Albert Ho, in dem handverlesenen Gremium mit 76 Stimmen chancenlos.
Der neue Regierungschef Leung hatte schon mehrere Posten in der Regierung inne und wirkte am Grundgesetz Hongkongs mit. Er ist Mitglied der chinesischen Konsultativkonferenz in Peking, einem Beratergremium verdienter Persönlichkeiten. Der in England studierte Sohn eines Hongkonger Polizisten hatte sich früh zum Millionär aufgeschwungen. Er übernimmt am 1. Juli die Amtsgeschäfte vom scheidenden Regierungschef Donald Tsang (67).
dpa/rkr/sh - Bild: Aaron Tam (afp)