Die Mordserie von Toulouse steht vor der Aufklärung. Die Polizei hat nach Angaben von Innenminister Claude Guéant den vermuteten Täter gestellt, der sich am Mittwochmittag noch in einem Mehrfamilienhaus verschanzt hielt. Bei dem Verdächtigen soll es sich um einem dem Terrornetz Al Kaida nahe stehenden Extremisten handeln.
Er hatte am Morgen mit Schüssen aus automatischen Waffen zwei Polizisten verletzt, als sich diese der Wohnung näherten. Im Austausch gegen ein Telefon übergab er der Polizei später einen Colt - die mögliche Tatwaffe bei den Morden an insgesamt sieben Menschen in Südfrankreich.
Das von der Polizei umstellte, aber erst gegen Mittag evakuierte Mehrfamilienhaus befindet sich in einem ruhigen Wohnviertel der südfranzösischen Stadt. Von dort aus berichtete auch Minister Guéant.
Präsident Nicolas Sarkozy und Innenminister Claude Guéant erklärten, der Mann solle lebend gefasst werden, damit er sich vor Gericht verantworte. Sarkozy warnte vor Rachegedanken und einer Vermengung von Religion und brutalem Extremismus.
Täter gegenüber einem Polizisten offenbart
Der mutmaßliche Täter hatte sich nach den Schusswechseln gegenüber einem Polizisten offenbart. Bevor er die Kommunikation gegen Mittag wieder abbrach, betonte der Mann nach Angaben von Minister Guéant, er stehe dem Terrornetzwerk Al Kaida nahe. Er sei als "Mudschahedin" in Afghanistan und Pakistan gewesen sei und habe den gewaltsamen Tod von palästinensischen Kindern rächen wollen. Er habe auch ein Zeichen gegen die französische Militär-Präsenz in Afghanistan setzen wollen.
Der Verdächtige habe über ein Waffen-Arsenal verfügt, unter anderem in einem nahe der Wohnung geparken Auto, erklärte Guéant. "Er hat aber weitere Waffen, darunter eine Kalaschnikow, eine Uzi und diverse Feuerwaffen."
Er sei der Täter, der drei Soldaten sowie einen Lehrer und drei Kinder einer jüdischen Schule erschossen habe, betonte Guéant: "Dieser Mann hat bereits mehrere Straftaten auf französischem Boden begangen, einige mit Gewalt (...) Er spricht viel, er ist dabei, seinen gesamten kriminellen Weg zu erzählen."
Mehrere Personen aus seinem Umfeld wurden festgenommen, darunter waren die beiden Schwestern und Brüder sowie die Mutter des Mannes. Ein Bruder sympathisiere mit den extremistischen Salafisten, sagte der Innenminister. Der Minister betonte jedoch, dass der Verdächtige bei seinen Taten allein gehandelt habe. Die Geheimdienste hätten ihn schon seit längerem beobachtet.
Via Internet auf die Spur gekommen
Der Mann habe mehrfach mit den automatischen Militärwaffen um sich gefeuert. Guéant bestätigte, dass die Ermittler ihm via Internet auf die Spur kamen. Das erste Opfer war demnach mit ihm über eine Internet-Verkaufs-Plattform in Kontakt getreten, wo es sein Motorrad verkaufen wollte. Per Mail wurde ein Treffpunkt vereinbart. Die von Polizeiermittlern identifizierte IP-Adresse gehörte den Angaben zufolge zu einem Computer, der der Mutter des Tatverdächtigen gehört. "Das hat bei den Ermittlungen die Wende eingeleitet", sagte Guéant. In ersten Berichten war vom Computer des Bruders die Rede, dem Guéant ebenfalls radikale Überzeugungen bescheinigte. Die Mutter habe bereits seit längerem wegen ihrer Nähe zu radikalen Salafisten unter Beobachtung der Ermittler gestanden.
"Als sich die Polizisten seiner Tür näherten, hat er sofort durch die Tür geschossen. Ein Polizist wurde verletzt, aber er schwebt nicht in Lebensgefahr", ergänzte Guéant. Auch ein zweiter Beamter wurde demnach verletzt. "Der Bruder des Verdächtigen wurde festgenommen (...) Die Mutter wurde zum Ort gebracht und gebeten, Kontakt zu ihrem Sohn aufzunehmen, was sie nicht gewollt hat."
Das von der Polizei umstellte, aber nicht evakuierte Mehrfamilienhaus befindet sich in einem ruhigen Wohnviertel der südfranzösischen Stadt. Von dort aus berichtete auch Innenminister Guéant.
Vertreter der jüdischen Glaubensgemeinschaft erleichtert
In ersten Reaktionen zeigten sich vor allem Vertreter der jüdischen Glaubensgemeinschaft erleichtert darüber, dass der Täter offenbar identifiziert wurde. Die Vorsitzende der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, betonte in einem Radio-Interview, dass "das fundamentalistische Risiko in unserem Land" unterschätzt worden sei. Der Rektor der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, warnte nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP davor, dass man die muslimische Religion und extremistische Fanatiker wie den mutmaßlichen Serientäter von Toulouse nicht in einen Topf werfen dürfe.
Präsident Nicolas Sarkozy, der nach Angaben von Guéant die Nacht über auf dem Laufenden gehalten wurde, wollte sich am Vormittag mit Vertretern der Glaubensgemeinschaften treffen.
Tausende bei Begräbnis von Toulouse-Opfern in Jerusalem
Tausende Trauergäste haben in Jerusalem am erschütternden Begräbnis der vier jüdischen Opfer des Mordanschlags von Toulouse teilgenommen. Die Leichen der drei Kinder und eines Rabbiners wurden am Mittwoch nach sehr emotionalen Ansprachen auf dem größten Friedhof Jerusalems beigesetzt. Der französische Außenminister Alain Juppé sagte dort, Frankreich werde alles tun, "um sicherzustellen, dass sich so eine unglaubliche Tragödie nie wiederholt". Und: "Ein Angriff gegen Juden ist ein Angriff auf alle Franzosen."
Juppé war in der Nacht zum Mittwoch mit den Leichen des Lehrers Jonathan Sandler, seiner drei und sechs Jahre alten Söhne sowie der achtjährigen Miriam Monsonego nach Israel geflogen. Ihr Mörder hatte ihnen am Montag vor einer jüdischen Schule aus nächster Nähe in den Kopf geschossen. Zeitgleich zur Beisetzung in Jerusalem belagerte die Polizei in Toulouse ein Haus, in dem sich der mutmaßliche Täter verschanzt hatte.
Der Bruder des ermordeten Mädchens, Avischai Monsonego, nahm in einer herzzerreißenden Rede Abschied von seiner kleinen Schwester: "Bitte weine und bete dafür, dass Gott Mama und Papa Kraft gibt, damit sie diese schwerste Prüfung überstehen." Die Mutter war nach Medienberichten mit einem Krankenwagen zu dem Begräbnis gekommen und musste getragen werden. Die schwangere Witwe des ermordeten Lehrers saß sichtbar erschüttert in einem Rollstuhl.
"Der Schmerz ist unerträglich", sagte der israelische Innenminister Eli Jischai bei der Beisetzung. "Das ganze israelische Volk weint." Parlamentspräsident Reuven Rivlin beschrieb den Anschlag in Toulouse als weiteres Beispiel für Terror gegen Juden in aller Welt. "Das jüdische Volk steht wilden Tieren gegenüber, die unersättlich und von blindem Hass angetrieben sind", sagte Rivlin. "Wir werden ihren Sieg nicht zulassen."
dpa/est - Bild: Pascal Pavani (afp)