Die IT-Industrie trumpft auf der weltgrößten Computermesse CeBIT als Konjunkturlokomotive auf. Neue Dienste wie Cloud Computing und De-Mail sollen das Wachstum ankurbeln.
In Deutschland wird die Branche in diesem Jahr erstmals die Umsatzmarke von 150 Milliarden Euro durchbrechen. Die Euro-Krise drückt das plus in Deutschland zwar auf magere 1,6 Prozent - jedoch wird das Geschäft mit Computern, Smartphones und Dienstleistungen damit noch wichtiger als Stütze der europäischen Wirtschaft. Zugleich kann sich die Branche auch auf der CeBIT den Problem mit IT-Sicherheit und Datenschutz nicht entziehen.
Ein riesiger Wachstumstreiber ist das Cloud Computing, bei dem Daten, Software oder auch Rechenleistung direkt aus dem Netz bereitgestellt werden. Jedes Jahr dürften die Erlöse in dem Geschäft im Schnitt um 37 Prozent zulegen, lautet die Bitkom-Prognose. Aus 3,6 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr sollen damit 2015 bereits 14 Milliarden werden. "Wir wollen die Cloud für alle", betonte in Hannover Telekom-Chef René Obermann. Auch Privatanwender sollen von den neuen Diensten profitieren.
Was für die einen große Chancen bedeutet, wird andere in der deutschen Softwarebranche aber auf eine harte Probe stellen, warnte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. "Die Cloud führt dazu, dass bisherige Speziallösungen standardisiert über das Internet angeboten werden. Damit ist das Geschäftsmodell von drei Vierteln der deutschen Anbieter bedroht."
IT-Sicherheit Voraussetzung
Eine zentrale Voraussetzung für Cloud Computing ist IT-Sicherheit - und hier sind viele Unternehmen in Deutschland nicht auf der Höhe der Zeit. In einer Umfrage gab jedes dritte (33 Prozent) zu, dass hier Nachholbedarf bestehe. Ein Viertel sieht im Datenschutz eine Herausforderung.
Die deutsche Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) warf Online-Riesen wie Google und Facebook abermals vor, mit ihren Geschäftsgebaren das Vertrauen in die Branche zu untergraben. Die Verbraucher nutzten die Möglichkeiten des Internets nur, wenn sie Vertrauen hätten, betonte Aigner. Sie bekräftigte ihre Kritik an Google und Facebook. Die Anbieter von Geräten und Diensten hätten in Sachen Datenschutz eine Bringschuld. "Hier vermisse ich - nicht bei allen, aber bei manchem - die nötige Sensibilität. Wenn die Großen der Branche in punkto Datenschutzer Vorreiter wären, wäre das Signal an die gesamte Branche." Das Leit-Motto der CeBIT in diesem Jahr ist "Managing Trust".
Die Deutsche Telekom stieg auf der CeBIT mit einem teilweise kostenlosen Angebot in den Wettbewerb um verschlüsselte E-Mails ein. Für Geschäftskunden startet das De-Mail-Angebot der Telekom am Dienstag. Für alle anderen geht es im Anschluss an eine kostenlose Testphase im September los. Ihren Privatkunden räumt die Telekom ein Freikontingent von drei De-Mails im Monat ein. Dies decke den Grundbedarf in den meisten Fällen ab, sagte Obermann. Jede weitere De-Mail kostet dann 39 Cent.
Microsoft wirbt um Entwickler für Windows 8
Microsoft will sein neues Betriebssystem Windows 8 mit einem reich bestückten App-Store starten. Auf der CeBIT in Hannover wirbt der Softwarekonzern deshalb um die Entwicklerszene. Über Windows 8 könnten Anwendungen auf 231 Märkten in mehr als 100 Sprachen vertrieben werden, kündigte Microsoft am Montag in Hannover an. Keine andere Plattform biete Entwicklern den Zugang zu so vielen Kunden.
Windows 8, das im Herbst auf den Markt kommen soll, wird nicht nur auf PCs und Laptops laufen, sondern ist auch für die Nutzung auf den derzeit begehrten Tablet-Computern ausgelegt. Zudem sollen künftige Versionen des mobilen Betriebssystems Windows Phone auf dem gleichen Software-Kern aufsetzen.
Vor einigen Tagen hatte Microsoft die Beta-Version von Windows 8 veröffentlicht. Bereits in den ersten 24 Stunden ist das System nach Angaben von Microsoft eine Million Mal heruntergeladen worden. 1500 Entwickler hätten sich innerhalb von 36 Stunden angemeldet und wollten Apps für Windows 8 produzieren.
Zu den ersten deutschen Anbietern einer Anwendung unter dem neuen Windows zählt das Berliner Start-up 6Wunderkinder, das mit seinem Aufgaben-Manager Wunderlist auf Apples iPhones und iPads bereits erfolgreich gestartet war. Wunderlist werde es künftig auch unter Windows 8 geben, kündigte Unternehmenschef Christian Reber auf der CeBIT an. Reber hob die weite Verbreitung von Windows hervor. "Wir sind nicht nur vom Metro-Design-Ansatz überzeugt, sondern sehen für uns auch ein riesiges Potenzial, über Windows 8 künftig noch weitaus mehr Menschen als bisher mit unseren Ideen und Apps zu erreichen", sagte Reber.
Wie jedes Jahr schlägt die Branche auf der CeBIT Alarm wegen des Fachkräftemangels: Immer mehr Informatiker-Jobs bleiben unbesetzt. Im Dezember gab es rund 30.500 offene Stellen, nach 21.000 nur ein Jahr zuvor, berichtete der Branchenverband VDI. Vor allem große Unternehmen gehen als Reaktion ins Ausland. "Dem IT-Standort Deutschland droht ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, wenn speziell bei Großunternehmen der Trend zur Verlagerung einzelner Bereiche ins Ausland einsetzt", warnte Dieter Westerkamp, stellvertretender Leiter Technik und Wissenschaft im VDI.
dpa/mh - Bild: Odd Andersen (afp)