Entgegen amerikanischen Regierungsangaben sind die Koranverbrennungen durch US-Soldaten in Afghanistan nach einer Untersuchung des Religionsrats vorsätzlich geschehen. Die Darstellung der US-Regierung, es habe sich um ein Versehen gehandelt, sei "nicht hinnehmbar", sagte Ratsmitglied Maulawi Chalikdad am Montag der Nachrichtenagentur dpa in Kabul.
"Unsere Untersuchung deutet darauf hin, dass es (die Koranverbrennung) beabsichtigt war", sagte Chalikdad. Er war Mitglied der Untersuchungskommission aus Vertretern des Religionsministeriums und des Ulema-Rats. Sie ist eine von mindestens drei Kommissionen unterschiedlicher Zusammensetzung, die den Vorfall untersucht hat.
Nach Angaben von Chalikad habe sich ein afghanischer Armeeoffizier auf der US-Basis Bagram zuvor bei den US-Soldaten erkundigt, was mit den religiösen Schriften geschehen solle. Ihm sei gesagt worden, sie würden in einen Container gebracht und dort gelagert. Stattdessen hätten die Amerikaner die Bücher ins Feuer geworfen.
Auch wegen der großen Zahl an Büchern könne es kein Versehen gewesen sein, sagte Chalikdad. Afghanische Mitarbeiter auf der Basis hätten 216 Bücher aus den Flammen gerettet, darunter 48 Exemplare des Koran. Unklar sei, wie viele Bücher zuvor verbrannt worden seien.
Tagelange Unruhen im Land
Der Zwischenfall vor zwei Wochen hatte tagelange Unruhen im Land ausgelöst, bei denen mindestens 30 Demonstranten getötet wurden. Am Montag sprengte sich vor dem Stützpunkt Bagram nach Polizeiangaben ein Selbstmordattentäter in die Luft und riss zwei afghanische Jugendliche mit in den Tod. Die radikal-islamischen Taliban erklärten, der Anschlag sei Vergeltung für die Koranverbrennung.
Weiter sagte Chalikdad, die Amerikaner hätten den Verdacht gehabt, Häftlinge hätten mit Hilfe von Botschaften, die sie in die Bücher schrieben, kommuniziert oder auf diesem Weg Nachrichten der Taliban empfangen. Bei der Untersuchung habe seine Kommission aber keine Hinweise darauf erhalten, dass der Verdacht begründet gewesen sei. Präsident Hamid Karsai und das Parlament seien bereits über das Untersuchungsergebnis unterrichtet worden.
Frauenrechte einschränken
Darüber hinaus schlug der Religionsrat der Regierung vor, die in der Verfassung verbrieften Frauenrechte einzuschränken. Wie Chalikad der dpa sagte, solle Frauen zukünftig untersagt werden, ohne enge männliche Verwandte öffentliche Transportmittel zu nutzen. Zudem sollten sie nicht mehr in Büros mit Männern zusammenarbeiten dürfen, die nicht der unmittelbaren Familie angehörten.
Die vom Ulema-Rat angestrebten Verbote wecken Erinnerungen an das Ende 2001 gestürzte Taliban-Regime. Das untersagte Frauen, ohne männliche Verwandte das Haus zu verlassen. Chalikdad erklärte: "Wir sollten akzeptieren, dass dies eine islamische Gesellschaft ist, die sich von einer nicht-islamischen Gesellschaft unterscheidet."
dpa - Archivbild: Shah Marai (afp)