Wolfgang Niersbachs Stimme zitterte, und seine Augen wanderten auf der Suche nach seinen Töchtern durch den Saal. "Es ist ein großer Moment für mich. Ich bin froh, dass Laura und Lilian dabei sind", sagte der neue Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nach seiner einstimmigen Wahl am Freitag in Frankfurt/Main. Erster telefonischer Gratulant des Nachfolgers von Theo Zwanziger war "Michel" - UEFA-Präsident Platini.
Der bisherige Generalsekretär durfte sich beim Außerordentlichen DFB-Bundestag in einem Frankfurter Flughafen-Hotel über das klare Votum der 260 Delegierten sogar ohne Enthaltung freuen und führt nun den mit 6,75 Millionen Mitgliedern größten Sportfachverband der Welt an. "Du wirst ein großartiger Präsident", prophezeite Zwanziger bei einer Versammlung voller Lobeshymnen, Erinnerungen und Goldkränze.
Einziger Kandidat
Der 61-Jährige war einziger Kandidat und ist zunächst einmal bis zum nächsten Bundestag im Oktober 2013 im Amt. "An allererste Stelle stelle ich die Einheit des Fußballs", sagte der frühere Agenturjournalist Niersbach. "Ich bin in vielerlei Hinsicht ein Quer- oder Seiteneinsteiger, einer, der sich diesem DFB seit 24 Jahren mit Haut und Haaren verschrieben hat. Ich habe den Vorteil, dass ich in der DFB-Zentrale von der Telefonistin bis zur Kleiderkammer jeden kenne."
Niersbach kündigte an, die Bürokratie abzubauen und den Service für die Vereine und Landesverbände zu stärken. Ein Schwerpunkt bleibt die Nachwuchsarbeit. Der elfte Präsident der Verbandsgeschichte verwies auf die 366 Stützpunkte mit 1000 bezahlten Trainern und die immer neuen Talente in der Nationalmannschaft: "Man kann da sogar vom deutschen Weg sprechen. Ich glaube, das System ist nahezu perfekt, aber es muss immer noch verbessert werden."
Abschied von Theo Zwanziger
Nach siebeneinhalb Jahren an der Spitze des DFB verabschiedete sich Zwanziger mit dem, was er am besten kann - mit einer Rede: "Ich bin ein zufriedener und glücklicher Mensch. Ich schaue zurück auf eine fantastische Zeit beim DFB", sagte der 66 Jahre alte Jurist aus Altendiez und durfte sich noch einmal mit viel Applaus und Standing Ovations feiern lassen. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel gab es eine Videobotschaft.
Mit den Worten "Fußball ist nicht alles, alles hat seine Zeit" eröffnete Zwanziger seine Ansprache. "Meine Zeit im schönsten Amt, das es in Deutschland subjektiv gibt, ist vorbei. Ich freue mich auf morgen." Niersbach werde und müsse den Fußball nicht neu erfinden, sagte der 66-jährige: "Du wirst dich nicht verändern, denn der Einzige, der versucht hat, dich zu ändern, das war ich - und ich bin gescheitert."
Als großen Mitstreiter in seiner Zeit in der DFB-Zentrale in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise hob Zwanziger aber nicht Niersbach, sondern den früheren Generalsekretär Horst R. Schmidt hervor: "Hinter allem und vor allem, was der DFB ist, steht ein Name: Horst R. Schmidt." Zwanziger - seit 2004 zunächst gemeinsam mit Gerhard Mayer-Vorfelder DFB-Präsident, von 2006 an allein - wird Vorsitzender der DFB-Kulturstiftung bleiben, die künftig seinen Namen trägt. Als Abschiedsgeschenk erhielt er eine Collage, einen Gutschein für ein Familienwochenende in Bad Füssing - und von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich das Bundesverdienstkreuz.
Hauptamtlicher Präsident nötig
Nach Ansicht von Franz Beckenbauer braucht der DFB künftig einen hauptamtlichen Präsidenten. "Der Fulltimejob lässt sich nicht länger ehrenamtlich ausüben, sondern sollte auch wie ein Spitzenamt bezahlt werden", sagte der "Kaiser" in seiner "Bild"-Kolumne vor der Wahl seines langjährigen Freundes Niersbach. "Es kann nicht angehen, dass Niersbach bei seinem Wechsel vom Generalsekretär zum Präsidenten, der letztlich die Gesamtverantwortung trägt, finanzielle Verluste hinnehmen muss. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß."
Mit Niersbach, sagte Beckenbauer, bekomme der DFB einen "sehr weltmännischen Boss". Joachim Watzke, Geschäftsführer des deutschen Meisters Borussia Dortmund, bezeichnete den neuen Verbandsboss als "eine Idealbesetzung". Bundestrainer Joachim Löw meinte: "Ich glaube, niemand ist so gut für den DFB wie Wolfgang Niersbach. Wir freuen uns wahnsinnig auf die Zusammenarbeit." Für Uwe Seeler ist er "die beste Wahl, die es je gegeben hat". Mit Düsseldorfer Altbier, Frikadellen und Würstchen wollte Niersbach den großen Tag feiern.
Der DFB huldigte sich bei Niersbachs Inthronisierung selbst - und die anwesende Fußball-Prominenz beehrte den neuen Präsidenten: Beckenbauer, Seeler, Lothar Matthäus, Löw, Günter Netzer, Wolfgang Overath, Rudi Völler, Matthias Sammer, Ligapräsident Reinhard Rauball und sogar die 1954er Weltmeister Horst Eckel und Hans Schäfer waren gekommen.
"Er ist überall in der Welt akzeptiert. Da kann Deutschland stolz sein, einen solchen Präsidenten zu haben", sagte Netzer über Niersbach. Im nächsten Jahr soll der Fan von Fortuna Düsseldorf Zwanziger in der UEFA-Exekutive ablösen. Zu Niersbachs Wählern gehörte auch der frühere Stuttgarter Bundesliga-Präsident Erwin Staudt. Er war ursprünglich Zwanzigers Wunschkandidat, hatte aber nach Niersbachs Zusage zurückgezogen.
dpa/rkr - Bild: Arne Dedert (afp)