In Birma sind am Freitag auf einen Schlag hunderte politische Gefangene freigekommen, darunter die prominentesten Dissidenten, um deren Leben Menschenrechtler gefürchtet haben. Viele waren zu teils mehr als 60 Jahren Haft verurteilt worden.
Präsident Thein Sein erfüllte damit innerhalb von 48 Stunden die zweite große Forderung westlicher Regierungen. Am Freitag hatte er einen historischer Waffenstillstand mit den Karen-Rebellen geschlossen. Birma-Experten drängen die EU, die USA und andere Staaten, ihre Sanktionen bald aufzuheben.
Unter den 651 Entlassenen waren die 591 politischen Gefangenen, deren Freilassung Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi im Dezember gefordert hatte, berichtete der Exilsender DVB. Viele wurden aus Gefängnissen in der Provinz entlassen und machten sich am Freitag erst auf den Weg nach Rangun, in das kommerzielle Zentrum und den Sitz von Suu Kyis "Nationalliga für Demokratie" (NLD). Viele kündigten umgehend die Fortsetzung ihres Kampfes für mehr Demokratie an.
Auch Freilassung von Regimekritikern
Frei kam unter anderem der nach Suu Kyi prominenteste Regimekritiker Min Ko Naing (49) sowie seine Mitstreiter Htay Kywe, Zaw That Htwe, Jimmy und Nilar Thein und Ko Ko Gyi, teilte die NLD mit. Min Ko Naing hatte den Studentenaufstand 1988 angestiftet und war mehr als 18 Jahre im Gefängnis. Frei kam auch der Mönch Ashin Gambira (32), einer der Anführer des Mönchsaufstands 2007. Beide Rebellionen wurden vom Regime blutig niedergeschlagen. Aus dem Hausarrest entlassen wurde der ehemalige Regierungschef Khin Nyunt (72), der 2004 nach Reformversuchen bei der Militärjunta in Ungnade gefallen war. Die Freiheit erlangte auch Khun Tun Oo (68), Begründer der Nationalliga für Demokratie im Shan-Staat.
Manche Dissidenten und ihre Familien feierten ausgelassen. "Ich bin so froh, meine Familie zu sehen", sagte Nilar Thein, die mit ihrem Mann Jimmy freigelassen wurde, dem Exilmagazin "Irrawaddy". "Wir werden uns mit Suu Kyi für demokratische Reformen einsetzen." Auch Khin Nyunt bleibt aktiv: "Ich unterstütze die Versöhnungspolitik von Präsident Thein Sein und Suu Kyi", sagte er. Khun Tun Oo war bitter: "Ich hätte nie verhaftet werden dürfen, ich habe sieben Jahre meines Lebens vergeudet. Es gibt keinen Grund zum Feiern." Die meisten Freigelassenen meinten, es seien weitere Gefangene zu Unrecht in den Gefängnissen.
Freilassungen stießen weltweit auf Zustimmung
"Ein Riesenschritt, aber das Tor muss noch weiter aufgemacht werden, damit wirklich alle freikommen, die wegen ihrer Gesinnung eingesperrt sind", sagte der Birmaexperte von Amnesty International, Benjamin Zawacki. "Die Regierung muss dafür sorgen, dass die Freigelassenen ohne Hindernisse politisch aktiv werden und an den bevorstehenden Nachwahlen teilnehmen können", meinte die stellvertretende Asien-Direktorin von Human Rights Watch, Elaine Pearson.
Die Europäische Union hat die Freilassung von Hunderten politischen Gefangenen in Birma begrüßt. "Dies bringt uns einen Schritt weiter zu einer neuen Beziehung mit Birma", heißt es in einer Erklärung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton vom Freitag in Brüssel. Die Freilassung von politischen Gefangenen sei ein mutiger Schritt und eine weitere Bestätigung für die Fortsetzung des Reformkurses der Regierung Birmas.
Die USA nehmen diplomatische Beziehungen zu Birma auf. Washington reagiere damit auf den eingeleiteten Reformprozess in dem südostasiatischem Land, sagte Außenministerin Hillary Clinton am Freitag in Washington. Die USA wollten "Taten mit Taten beantworten", sagte sie.
Erste auf dem Papier zivilen Regierung seit fast 50 Jahren
Präsident Thein Sein trat im März vergangenen Jahres mit der ersten auf dem Papier zivilen Regierung seit fast 50 Jahren an. Der Ex-General diente unter der Militärjunta als Regierungschef, hängte seine Uniform aber an den Nagel.
In den vergangenen Monaten startete er einen Dialog mit Suu Kyi, die ihm das Vertrauen ausgesprochen hat, und ebnete ihr den Weg zurück in die Politik. Sie tritt am 1. April zu den Nachwahlen zum Parlament an und dürfte dort dann de Fakto zur Oppositionsführerin aufsteigen.
25 Prozent der Sitze sind für das Militär reserviert, die meisten anderen gingen bei den umstrittenen Wahlen 2010 an die von der Junta gegründete Partei.
dpa/mh - Bild: str/afp