Es bläst ein eisiger Wind durch Iowa. Mitten im Niemandsland der USA ist es nicht nur meteorologisch bitterkalt geworden - auch politisch geht es frostig zu.
Wer dieser Tage das örtliche Fernsehprogramm einschaltet oder eine Lokalzeitung liest, dem bläst ein Wintersturm härtester Wahlwerbung ins Gesicht.
Bevor der Bauernstaat an diesem Dienstag mit seiner Vorwahl offiziell den Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur eröffnet, gehen die Bewerber mit Propaganda-Geschützen aufeinander los. Nach Monaten sanften Geplänkels hagelt es jetzt persönliche Tiefschläge.
Da brandmarkt der sonst so nette Favorit in dem Vorwahlrennen, Mitt Romney, seinen derzeit schärfsten Rivalen Newt Gingrich als unwählbar, weil er doch mit Skandalen aus der Vergangenheit überladen sei. Die «Washington Post» bezeichnet den Vorwahlkampf bereits jetzt als «wildestes republikanisches Rennen, an das sich überhaupt jemand erinnern kann».
«Newt (Gingrich) trägt mehr Gepäck mit sich herum als Fluggesellschaften», lautet der Wahlslogan der Romney-Truppe. Doch auch Romney kriegt sein Fett weg, er sei nicht mehr als ein wankelmütiger «Karriere-Politiker». Kein Kandidat ist sicher vor den Anfeindungen, die den ganzen Tag im Fernsehen rauf und runter laufen. «Das ist in dieser Negativität beispiellos», meint David Yepsen, der als Lokalreporter über zahlreiche Iowa-Wahlen berichtete.
Völlig offen
Der Grund für den brutalen Anzeigenkrieg: Selbst so kurz vor der ersten «Primary» ist völlig offen, wer mit dem Selbstbewusstsein des Gewinners in weitere Rennen gehen kann und für wen das «Unternehmen Präsidentschaft» mit einem schlechten Abschneiden quasi gescheitert ist. Eine letzte Umfrage der Lokalzeitung «Des Moines Register» wirbelte das Kandidatenfeld gerade erneut durcheinander. Der Langzeit-Außenseiter Rick Santorum darf plötzlich auf den Sieg hoffen, der Überraschungs-Favorit Newt Gingrich dagegen schmiert ab. Jetzt deutet wieder alles auf den soliden aber unbeliebten Mitt Romney hin.
Bis auf den chancenlosen Jon Huntsman kürten die Meinungsforscher schon jeden der bekannten Bewerber zum neuen Herausforderer von Amtsinhaber Barack Obama. Einmal Blut geleckt, glauben nun alle, dass Iowa für sie das Sprungbrett ins Weiße Haus sein könnte. Deshalb tingeln sie hier seit Monaten zwischen Kirchen, Kneipen und Kaufhäusern umher, selbst am Montag noch unermüdlich, und geben Millionen von Dollar für lokale Werbung aus.
Nicht repräsentativ
Dabei meinen Experten, die Vorwahl in Iowa habe längst nicht die Bedeutung für die republikanische Nominierung, die ihr von den Bewerbern und Medien zugesprochen werde. Der Staat stellt beim entscheidenden Parteitag der Republikaner Ende August gerade mal ein Prozent der Delegierten. Auch repräsentativ für den Rest der USA kann man das etwas öde Fleckchen Erde im Mittleren Westen nicht nennen.
Vierzig Prozent der rund drei Millionen Einwohner leben auf dem Land, anteilig mehr als doppelt so viele wie im Rest der Nation. 91 Prozent der Menschen in dem Maisstaat sind weiß, US-weit sind es 72 Prozent. Es gibt relativ viele streng gläubige Protestanten - und vergleichsweise sehr wenige Arbeitslose. Gesucht wird hier also nicht der größte Wirtschaftsexperte, sondern der gläubigste Konservative mit den stärksten Familienwerten. So ist es zu erklären, dass Michele Bachmann seit Tagen fast nur noch in Kirchen auftritt und Gingrich bei einem Termin öffentlich um seine tote Mutter weint.
I now declare the basar open ...
Doch seit 40 Jahren schon eröffnet Iowa nunmal die Primaries - und mit Traditionen will offenbar schon aus Aberglaube im Wahlkampf niemand brechen. Dabei schafften es nur drei Mal die Sieger des so genannten «Caucus» auch ins Weiße Haus. 2008 begann Obama hier seinen Siegeszug, 2000 war es George W. Bush und 1972 Jimmy Carter. Vor vier Jahren gewann bei den Republikanern Mike Huckabee, den manch Amerikaner heute vielleicht noch als Fernsehmoderator kennt.
Allen Bedenken zum Trotz: Die Menschen in dem bodenständigen Staat nehmen ihre Aufgabe sehr ernst, vielleicht den nächsten Präsidenten auszuwählen. So werden sich am Dienstagabend auch bei eisigem Wind in gut 1700 Wahlbezirken mehr als hunderttausend Republikaner auf den Weg machen, um mit ihren Nachbarn lang und breit über die Kandidaten zu diskutieren und gemeinsam einen auszuwählen. Dann haben sie für mindestens vier Jahre wieder Ruhe.
dpa - Bild: Justin Sullivan (epa)