"Ein seltenes und wahrhaft einziges Werk" nannte Giorgio Vasari, der Vater der italienischen Kunstforschung, Raffaels "Sixtinische Madonna". Da hing das vom "Malerfürsten der Renaissance" geschaffene Altarbild seit 35 Jahren unbeachtet von der Kunstwelt in der Klosterkirche San Sisto von Piacenza in Norditalien.
Weltberühmt wurde es erst, nachdem es Sachsens Kurfürst und Polen-König August III. 1754 erworben und über die Alpen nach Dresden hatte bringen lassen. In der Madonna wollte Raffael die "schönste Frau der Welt" auf Leinwand bannen.
Raffael, damals erster Maler am päpstlichen Hof, hatte den Auftrag für die "Sixtinische Madonna" 1512 von Papst Julius II. erhalten. Mit einer großen Sonderausstellung (26. Mai bis 26. August) feiern die Staatlichen Kunstsammlungen 2012 Raffaels Kultbild unter dem Titel "Die schönste Frau der Welt wird 500".
Geplant sind auch Vorträge, ein Katalog und Veranstaltungen rund um eines der berühmtesten Gemälde der Welt. "Wir erzählen, wie die Sixtina zum Mythos wurde", sagt Kurator Andreas Henning. "Wir hinterfragen, was uns das Bild bedeutet, ob man sie mal gesehen haben muss oder ob dahinter eine Bedeutung steht." Rund 140 Objekte, darunter Leihgaben aus den bedeutendsten Museen der Welt, sollen Auskunft geben über jahrelange Ankaufsverhandlungen, die Wahrnehmung des Bildes, seine Vervielfältigung und Verfälschung - von der Reproduktionsgrafik bis zu Alltagsprodukten, sagt Galeriedirektor Bernhard Maaz.
1780: Erster Kupferstich der "Sixtina"
Der erste Kupferstich der "Sixtina" wurde 1780 angefertigt, im 19. Jahrhundert drängten sich die Kopisten vor ihr. Damals stand sie noch in einem eigenen Saal als Solitär wie auf einem Altar. Seit 1955 ist der Weg zu ihr wie in einer Kirche. Von der Rotunde links die Treppe hinunter fällt der erste Blick durch die drei Italiener-Säle auf die berühmten, am unteren Bildrand lümmelnden Engel. "Der Vorhang geht auf, und die geistige Welt erscheint vor den Augen jeden Betrachters, seit 500 Jahren", sagt Henning.
Auf diese Weise fasziniert sie die Besucher. "Seit sie nach Dresden gekommen ist, hat sie Bewunderer gefunden", sagt der frühere Galeriedirektor Harald Marx. Für Goethe war sie "der Mütter Urbild, Königin der Frauen, ein Wunderpinsel hat sie ausgedrückt", für Hebbel "die höchste des Himmels" und das Bild für Ibsen "eine ganze volle Künstlerwelt". Dostojewski, der nach Erinnerungen seiner Frau sogar auf einen Stuhl gestiegen ist, um sie ohne Brille genau betrachten zu können, zeigte sich auch enttäuscht: "Das waren die alten Leute, die dieses Bild in Ruf gebracht haben", schrieb er.
Maaz hofft, dass die Ausstellung auch dazu beträgt, die beiden populären Engel vom unteren Bildrand in der Wahrnehmung wieder mit der Sixtina zu verbinden. Die Figuren, die Raffael zuletzt malte und die 1805 erstmals ausgekoppelt dargestellt wurden, machten separat eine Weltkarriere - zwischen Kunst und Kitsch. Sie hängen beim Berliner Edel-Italiener in Öl an der Wand und werben auf Souvenirs für Museen in Florenz und Rom, zieren Seifendosen, Body-Lotion und sogar Klopapier. Dabei gehören sie zur "Sixtinischen Madonna", dem deutschen Raffael, sagt Maaz. "Wenn man an die Renaissance denkt, hat man sie vor sich."
dpa/rkr - Bild: Matthias Hiekel (epa)