Der Gesetzentwurf stellt die Leugnung offiziell anerkannter Völkermorde unter Strafe - darunter nach französischer Lesart auch die Verbrechen an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915-1917. Paris hatte sie 2001 zum Genozid erklärt. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches bestreitet einen Genozid.
Ankara rief aus Protest seinen Botschafter zu Konsultationen in die Heimat zurück. "Mein Botschafter wird morgen für einen unbestimmten Zeitraum in die Türkei abreisen", erklärte am Donnerstag Botschaftssprecher Engin Solakoglu der Nachrichtenagentur dpa.
Der von der konservativen UMP-Abgeordneten Valérie Boyer eingebrachte Entwurf passierte die erste Parlamentskammer über alle Parteigrenzen hinweg mit einer großen Mehrheit der 50 anwesenden Abgeordneten - nur ein halbes Dutzend Parlamentarier stimmte dagegen. Der Entwurf muss nun noch vom Senat gebilligt werden.
Boyer meinte nach der Abstimmung im Nachrichtensender BFM-TV mit Blick auf die türkischen Drohungen: "Wir befinden uns nicht in einer türkisch-französischen Debatte, wir sind französische Abgeordnete, die vom französischen Volk gewählt wurden." Das Gesetz ziele nicht auf die heutige Türkei oder deren Regierung. Es sei paradox, dass ein Land mit Repressalien drohe, das die Aufnahme in die EU anstrebe.
Türkei drohte mit wirtschaftliche und politische Maßnahmen
Ankara hatte im Vorfeld zudem wirtschaftliche und politische Maßnahmen als Reaktion auf eine Zustimmung der Nationalversammlung angekündigt, ohne diese zunächst im Detail zu erklären. Türkische Medien berichteten, der Abzug des türkischen Militärattachés aus Paris und eine Aussetzung der bilateralen militärischen Zusammenarbeit seien weitere Optionen. Ankara könne auch den politischen Dialog mit Frankreich über Fragen wie den Syrien-Konflikt einschränken, hieß es.
Der für europäische Angelegenheiten zuständige Minister Jean Leonetti hatte die türkischen Drohungen am Donnerstag im Rundfunksender "France Inter" jedoch als haltlos zurückgewiesen und einen entspannteren Dialog mit Ankara gefordert. Er glaube nicht an ernsthafte Konsequenzen, sagte Leonetti.
Die Türkei sieht im geplanten Gesetz ein wahltaktisch motiviertes Manöver von Präsident Nicolas Sarkozy, das auf armenischstämmige Wähler zielt. Bei der offenen Abstimmung unterstützten auch die oppositionellen Sozialisten den Entwurf.
Türken protestieren - Armenien dankt für Genozid-Gesetz
Unmittelbar zuvor hatten rund tausend Menschen vor der Nationalversammlung gegen den Gesetzesvorstoß protestiert. Im Osmanischen Reich kamen nach unterschiedlichen Schätzungen während des Ersten Weltkriegs zwischen 200.000 und 1,5 Millionen Armenier ums Leben.
Armenien dankte Frankreich offiziell für das Genozid-Gesetz. Der französische Staat habe damit bewiesen, dass die Menschenrechte die höchsten Werte überhaupt seien, sagte der armenische Außenminister Edward Nalbandjan am Donnerstag nach Angaben von Medien in Eriwan. Wegen des Streits um die Gräueltaten ist die Grenze zwischen Armenien und der Türkei geschlossen.
dpa/est - Bild: Emma Foster (epa)