Aus Angst vor einer Spaltung im Irak haben die USA die politischen Führer des Landes aufgefordert, ihren Machtkampf friedlich beizulegen. Hintergrund ist ein Streit zwischen Schiiten und Sunniten, der nur wenige Stunden nach dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak begonnen hatte.
US-Vizepräsident Joe Biden telefonierte am Dienstag (Ortszeit) hintereinander mit dem schiitischen Regierungschef Nuri al-Maliki und dem sunnitischen Parlamentspräsidenten Osama al-Nudschaifi.
Regierungschef Al-Maliki verkündete, notfalls auch ohne die Sunniten regieren zu wollen. Damit wäre der mühsam ausgehandelte Kompromiss zwischen den Religionsgruppen aufgekündigt. Der Streit brach nach dem Abzug der letzten US-Truppen aus dem Irak am Wochenende aus.
Das Weiße Haus teilte mit, Biden habe in beiden Gesprächen betont, "wie wichtig es ist, sich in einer Art und Weise zu verhalten, die auf den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der irakischen Verfassung beruht". Al-Maliki und die Vorsitzenden der anderen Fraktionen sollten sich treffen und ihre Meinungsverschiedenheiten beilegen.
Erst keine Reaktion auf Appell aus Washington
Doch Ministerpräsident Al-Maliki reagierte zunächst nicht auf den Appell aus Washington. Stattdessen forderte er die Regierung des kurdischen Autonomiegebietes auf, Vizepräsident Tarik al-Haschimi auszuliefern. Al-Haschimi sei in einem Strafverfahren angeklagt und müsse in Bagdad vor Gericht erscheinen. "Wir haben dem Diktator Saddam Hussein einen fairen Prozess verschafft und auch Al-Haschimi soll einen fairen Prozess erhalten", sagte Al-Maliki am Mittwoch vor der Presse in Bagdad. In diesem Strafverfahren gehe es um Menschenleben und nicht um Politik. Er verbitte sich deshalb jegliche Einmischung, auch von der Arabischen Liga oder den Vereinten Nationen.
Al-Haschimi war Anfang der Woche in den kurdischen Norden des Irak geflohen, nachdem der Oberste Richterrat in Bagdad einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatte. Angeblich soll Al-Haschimi an der Planung von Terroranschlägen beteiligt gewesen sein. Der sunnitische Vizepräsident sieht in dem Verfahren einen Versuch des schiitischen Regierungschefs, ihn aus dem Weg zu räumen. Ähnlich äußerten sich auch Parlamentarier der kurdischen Parteien. Der irakische Botschafter bei der Arabischen Liga in Kairo, Kais Assawi, sagte: "(Der kurdische) Staatspräsident Dschalal Talabani bemüht sich sehr darum, diese Krise zu entschärfen."
Stellvertretende Ministerpräsident entlassen
Den stellvertretenden Ministerpräsidenten Salih al-Mutlak, einen Sunniten, hat Al-Maliki inzwischen entlassen. Das meldete der irakische Fernsehsender Al-Baghdadija auf seiner Website. Die Entlassung müsse vom Parlament noch gebilligt werden, sagte Al-Malikis juristischer Berater, Faisal Dschawad, dem Sender.
Al-Mutlak hatte Al-Maliki in Rage versetzt, weil er gesagt hatte, der Regierungschef sei ein noch schlimmerer Diktator als der 2003 von den Amerikanern gestürzte Ex-Präsident Saddam Hussein.
Al-Maliki drohte dem Al-Irakija-Bündnis, das Teil seiner Regierungskoalition ist, alle von diesem Bündnis besetzten Ministerposten neu zu vergeben. Dies würde geschehen, falls die Al-Irakija-Minister weiterhin die Kabinettssitzungen boykottieren sollten. Er sagte: "Wenn es notwendig werden sollte, werden wir uns halt auf die Verfassung berufen und eine Regierung der Mehrheit bilden." Al-Maliki hätte theoretisch auch ohne das Al-Irakija-Bündnis eine Mehrheit im Parlament, falls ihm nicht auch noch seine kurdischen Koalitionspartner abhandenkommen sollten.
Sunnitische Politiker werfen Al-Maliki vor, er schüre die Spannungen zwischen der sunnitischen Minderheit und der schiitischen Mehrheit. In Bagdads vorwiegend von Sunniten bewohnten Vorstadt Abu Ghoreib starb nach Angaben der Agentur Sumeria News am Mittwoch der Kommandeur einer lokalen Bürgerwehr durch eine Autobombe, die vor seinem Haus explodierte.
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