Der Kampf Griechenlands gegen den Bankrott ist auch der Kampf Europas um den Erhalt der EU. Finanziell und wirtschaftlich sind das Schicksal der zehn Millionen Hellenen und das der insgesamt rund 495 Millionen EU-Bürger eng verbunden. Gehen die Griechen pleite, könnte dies zu einer fatalen Kettenreaktion führen. Italien, Spanien, Portugal und andere könnten mit in diesen Sog geraten.
Keine Frage, die Lage ist heute ernster denn je. Die Jubelarien über die Gipfelbeschlüsse von Brüssel waren ebenso verfrüht wie unangebracht. Griechenland befindet sich trotz aller zugesagten Unterstützung nach wie vor in einer desolaten Situation. Papandreous Ankündigung eines Referendums war eine undemokratische Verzweiflungstat, weil die sogenannte Volksbefragung dem Bürger im Grunde keine echte Wahl gelassen hätte. Ein Nein hätte den Rausschmiss aus der Eurozone und wohl auch die definitive Pleite bedeutet.
Dass Papandreou das Referendum wieder absagte, ist in erster Linie Frankreichs Staatschef Sarkozy und Deutschlands Kanzlerin Merkel zu verdanken. Sie haben den Griechen-Premier erst einmal mit heftigsten Drohungen zur Räson gebracht. Aber auch das wird nicht reichen, um Griechenland wieder auf die Beine zu helfen. Dem Land fehlt die wirtschaftliche Basis, die Produktionskraft, um aus der Misere herausfinden zu können. Zudem sind die Strukturen verkrustet, sie müssen aufgebrochen werden.
Aber die Genesung des schwerkranken Patienten kann nur gelingen, wenn er seinen eigenen, entscheidenden Beitrag leistet. Ein harter, schmerzvoller Sparkurs wird unumgänglich sein, flankiert allerdings von konjunkturbelebenden Maßnahmen, vor allem von der Einsicht, dass nur mehr Wettbewerb auch dauerhaftes Wachstum bringen kann - beispielsweise im Tourismussektor.
Ob die sich abzeichnende Notregierung in Athen den Umschwung schaffen kann, ist mehr als fraglich. Baldige Neuwahlen sind unvermeidlich. Aber auch sie werden - wenn überhaupt - nur einen kleinen Schritt in Richtung Problemlösung ausmachen. Es erscheint unerlässlich, dass dem griechischen Volk in schonungsloser Offenheit klargemacht wird, was an Verzicht und Anstrengungen auf die Menschen zukommt.
Ein schwieriges Unterfangen in einem Land, in dem schon traditionell rechts- und linksradikale Kräfte nur darauf warten, Gewalt auszüben. Aber: Wenn an der Wiege der europäischen Kultur nicht die Einsicht dämmert, dass nur eine Mitgliedschaft in EU- und Eurozone den Griechen langfristig eine gewisse Lebensqualität sichert, dann werden die Nachfahren von Aristoteles und Platon auf das wirtschaftliche Niveau eines Entwicklungslandes zurückfallen.
Indes: Keine griechische Regierung wird es schaffen, ohne Rückendeckung durch das Volk eine nachhaltige Wirtschafts- und Finanzstruktur zu installieren. Da helfen auch keine Drohungen aus Deutschland oder Frankreich ...
Was die Europäische Union betrifft: Sie hat jedes Interesse daran, den Griechen in einem verantwortbaren Rahmen Hilfen zu geben, aber eben nicht um jeden Preis. Ein griechischer Bankrott hätte sicherlich eine unabschätzbare Unruhe an den Finanzmärkten zur Folge, Bankenpleiten wären nicht mehr zu vermeiden. Und dennoch: Könnte nicht auch eine heilvolle Wirkung davon ausgehen - in dem Sinne, dass manche EU-Staaten endlich mit ihrer Überschuldungspolitik Schluss machen müssten, um sich ein ähnliches Schicksal zu ersparen?
Und noch eines: Nicht Griechenland ist das eigentliche europäische Problem. Es ist die EU selbst, die es in vielen Bereichen an Einheit und Zuversicht missen lässt. Die Europäische Union braucht grundlegende Reformen hin zu mehr Ordnung und Kontrolle. Nicht zu mehr Neo-Liberalismus und Scheinfreiheit.