Der angeschlagene italienische Regierungschef Silvio Berlusconi muss um eine Parlamentsmehrheit für seine Anti-Krisen-Maßnahmen kämpfen. Deren Umsetzung hatte er auf dem G20-Gipfel in Cannes zugesagt.
Nach dem Austritt von zwei Abgeordneten aus seiner Partei PdL (Volk der Freiheit) hat Berlusconi im Abgeordnetenhaus aber gegenwärtig keine absolute Mehrheit mehr.
Italien steht zudem künftig unter verschärfter Beobachtung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Das hoch verschuldete Land hat nach Angaben aus italienischen Regierungskreisen eingewilligt, sein Reform- und Sparprogramm auch vom IWF bewerten zu lassen.
Damit solle Vertrauen an den Märkten geschaffen und die Finanzierung der Schuldenlast erleichtert werden, hieß es am Rande des G20-Gipfels in Cannes. Bislang hatte nur die EU-Kommission den Auftrag, die Reformschritte zu überwachen. Der IWF gilt allerdings als wesentlich erfahrener und genießt an den Märkten ein hohes Vertrauen.
In Cannes hieß es zudem, der IWF solle als Finanzfeuerwehr mehr Geld für Krisenstaaten bereitstellen können, um Länder vorbeugend vor der Ansteckung durch Finanzkrisen zu schützen.
Innenpolitisch steht Berlusconi schwer unter Druck. Seine Mehrheit sei auf 314 von 630 Abgeordnete geschrumpft und könnte noch weiter abnehmen, berichteten italienische Medien übereinstimmend. Schwankungen in seiner Parlamentsmehrheit gewohnt, habe Berlusconi am Rande des Gipfels noch Optimismus zu verbreiten gesucht, so berichtete der «Corriere della Sera»: «Die kommen zurück», wird der «Cavaliere» zitiert.
Debatte um Neuwahlen hält an
Und alle Lager blicken gebannt auch auf Staatspräsident Giorgio Napolitano, der sich eingeschaltet hat. «Wenn auch (der griechische Premier) Papandreou zum Rücktritt gezwungen würde, dann bliebe Italien das einzige Krisenland, das seinen bisherigen Regierungschef behielte», verwies der «Corriere della Sera» auf Portugal und Irland.
Die neuen Anti-Krisen-Maßnahmen will Berlusconi erneut mit einem Vertrauensvotum durchboxen. Damit würden alle Reformmaßnahmen in 10 bis 15 Tagen durch den Senat in Rom gebracht, soll Berlusconi in Cannes erklärt haben.
Zum parlamentarischen Showdown könnte es für Berlusconi allerdings bereits am nächsten Dienstag in der Abgeordnetenkammer kommen, wenn der «Cavaliere» den zweiten Versuch macht, den Rechenschaftsbericht 2010 absegnen zu lassen - bei einem ersten Votum kassierte er dabei eine herbe Niederlage, so dass der Ruf nach Rücktritt lauter wurde.
Berlusconi hat bereits mehr als 50 mal im Parlament mit dem Vertrauensvotum seine Gesetze beschleunigt durchgesetzt. Zuletzt warb er Mitte Oktober - nach der Schlappe beim Rechenschaftsbericht - für die Regierung um das Vertrauen der Abgeordneten. Er erreichte bei dem Votum mit 316 gegen 301 Stimmen die absolute Mehrheit ganz knapp.
Übergangsregierung zur Bewältigung der Krise
Teile der Opposition wie etwa die Zentrumspartei UDC treten für eine Übergangsregierung auf breiterer Basis zur Bewältigung der Schulden- und Wachstumskrise in Italien ein. Wenn die Regierung falle, dann könne es nur Neuwahlen geben, stellt sich Berlusconis Juniorpartner Lega Nord strikt dagegen. Napolitano hatte die Lage im Parlament im Gespräch mit allen Seiten sondiert und dringt auf ein rasches Einvernehmen.
Vorerst bleiben damit drei Möglichkeiten, wie es in Italien weitergehen könnte: Neuwahlen, eine Übergangsregierung - oder Berlusconi bleibt schwer angeschlagen im Regierungspalast Chigi.
dpa/sd - Archivbild: Olivier Hoslet (epa)