Der neue EZB-Präsident Mario Draghi setzt gleich zu Beginn seiner Amtszeit Akzente: Die Notenbank senkte gleich in der ersten Sitzung unter Vorsitz des Italieners überraschend die Zinsen.
Der Leitzins im Euro-Raum wird von 1,5 auf 1,25 Prozent verringert, wie die Europäische Zentralbank am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Draghi hatte erst am Dienstag den Franzosen Jean-Claude Trichet an der EZB-Spitze abgelöst.
Die meisten Ökonomen hatten trotz der drohenden Rezession und der Staatsschuldenkrise zunächst keine Zinssenkung erwartet. Niedrige Zinsen verbilligen Kredite und können Investitionen und Konsum ankurbeln, doch billiges Geld heizt auch die Inflation an - und die lag im Euro-Raum zuletzt bei 3,0 Prozent und damit weit über dem Zielwert der Währungshüter von knapp unter 2,0 Prozent.
Die hohe Teuerung sprach nach Ansicht der meisten Volkswirte dafür, den wichtigsten Zins zur Versorgung der Geschäftsbanken im Euro-Raum mit Zentralbankgeld nicht zu senken. Die EZB hatte sich in diesem Jahr allmählich von ihrer Krisen-Politik des extrem billigen Geldes verabschiedet und den Leitzins in zwei Schritten von 1,0 auf 1,5 Prozent erhöht.
Börsen reagieren umgehend
Die überraschende Zinssenkung der EZB beflügelt die Aktienmärkte. Der Leitindex Dax weitete seine Gewinne weiter aus. Lag der Dax am Mittag noch bei 1,55 Prozent, ist er nun auf mehr als 3 Prozent ins Plus gestiegen. Der Bel 20 setzt ebenfalls seinen Aufwärtstrend fort und stieg mit mehr als 2 Prozent ins Plus.
Offen ist, ob die Notenbank weiterhin Milliarden in Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten stecken wird. Draghis Vorgänger Trichet war für diesen Tabubruch massiv kritisiert worden, denn die Notenbank steht mit dem Milliardenprogramm letztlich für unsolide Politik von Regierungen gerade. Nach Einschätzung von Volkswirten ist die Notenbank als Feuerwehr weiterhin unverzichtbar. Künftig könnte aber auch der Euro-Rettungsfonds EFSF Anleihen von Krisenländern kaufen.
Am Abend will Draghi zum G20-Gipfel nach Cannes reisen, um sich in die Beratungen der Staats- und Regierungschefs über die wieder aufgeflammte Griechenland-Krise einzuschalten.
dpa/sd - Bild: Arne Dedert (epa)