Nach dem Tod des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi will der libysche Nationalrat an diesem Samstag das Land für befreit erklären. Nach der feierlichen Zeremonie solle dann binnen 30 Tagen eine provisorische Regierung gebildet werden, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira.
Die provisorische Regierung wird die Aufgabe haben, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen und freie, demokratische Wahlen vorzubereiten. Der Nationalrat wird außerdem seinen Sitz von Bengasi, wo vor acht Monaten der Volksaufstand gegen Gaddafi begann, in die Hauptstadt Tripolis verlegen.
Gaddafi hingerichtet?
Nach Einschätzung eines Arztes starb der Ex-Diktator am Donnerstag durch "Schüsse aus nächster Nähe in Kopf und Bauch". Ein Mediziner im Krankenhaus von Misrata, der Gaddafis Leiche untersucht habe, sei zu diesem Schluss gelangt, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija am Freitag. Dies könnte auf eine Hinrichtung nach der Gefangennahme hindeuten.
Ein Kämpfer der Nationalrats-Milizen, der nach eigenen Angaben bei Gaddafis Festnahme in Sirte dabei war, stellte die Situation am Freitag in einem Gespräch mit dem Nachrichtensender Al-Dschasira anders dar. Nach einem heftigen Feuergefecht mit Gaddafis Leibwächtern vor dem Abwasserrohr, in dem der ehemalige Machthaber sich versteckt hielt, habe sich Gaddafi ohne weitere Schwierigkeiten festnehmen lassen, sagte der Milizionär Osama al-Tajib.
"Wir übergaben ihn dem Sicherheitskomitee", führte er weiter aus. "Doch dann brach ein Gefecht zwischen den Gaddafi-Loyalisten und den Revolutionären aus." Gaddafi sei dabei durch Schüsse an Kopf und Brust getroffen worden. "Wir legten ihn einen Ambulanzwagen, ein Arzt machte Wiederbelebungsversuche, aber er starb."
Ministerpräsident Mahmud Dschibril erklärte in der Nacht, Gaddafi sei zunächst gefangen genommen worden. Dann sei der Pritschenwagen, mit dem der gefangenen Gaddafi von Sirte in die Küstenstadt Misrata gebracht werden sollte, unter Beschuss durch Anhänger des langjährigen Diktators geraten. Dabei wurde Gaddafi nach Angaben Dschibrils schwer verletzt. Er sei kurz vor der Ankunft im Krankenhaus von Misrata an dem schweren Blutverlust gestorben, erklärte der Ministerpräsident laut einem Bericht des Senders CNN.
"Außergewöhnlicher Tag"
US-Außenministerin Hillary Clinton sagte am Freitag in Islamabad: "Es ist unsere Hoffnung, dass das, was ich am Dienstag in Tripolis mit eigenen Augen gesehen habe - der Eifer der Libyer, mit dem Aufbau einer Demokratie zu beginnen - jetzt ernsthaft beginnen kann." Sie sagte dem libyschen Volk dabei die Unterstützung der USA "als Freund und Partner" zu. Clinton war vor ihren Besuchen in Afghanistan und Pakistan in Libyen gewesen.
US-Präsident Barack Obama hatte zuvor in einer Videokonferenz das Ende des Gaddafi-Regimes begrüßt. An der Unterredung nahmen auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premier David Cameron teil, wie das Weiße Haus am Donnerstag mitteilte. Alle hätten darin übereingestimmt, dass es ein "außergewöhnlicher Tag" für die Nato-geführte Militärallianz sei, vor allem aber für die libysche Bevölkerung.
dpa - Bild: Sabri Elmhedwi (epa)