Freudetrunken strömten sie in Tripolis, in Bengasi und in anderen Städten Libyens auf die Straßen und Plätze. "Es stimmt wirklich, ja, er ist tot, es stimmt wirklich, alle sind auf der Straße, alle feiern", jubelte Mohammed al-Ghannai, ein Mitglied des Kommandos der Revolutionsarmee in West-Tripolis. Am Telefon überschlägt sich seine Stimme vor Aufregung.
Die Nachricht von der Tötung des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi verbreitete sich am Donnerstag wie ein Lauffeuer im ganzen Land.
Das Nebelhorn eines Frachters im Hafen von Tripolis gab der Szenerie mit seinem dunklen Klang eine ernste Untermalung. Das Stakkato der Freudenschüsse aus den Schnellfeuergewehren der Ex-Rebellen, die die Revolte gegen Gaddafi trugen, erinnerte daran, welche Unmengen von Waffen in Libyen noch unter der Bevölkerung zirkulieren.
Unter den Jubelnden wollte sich daran naturgemäß niemand stören. Das ruchlose Ende des Mannes, der fast 42 Jahre lang über sie und das Land geherrscht hatte, bedeutete für sie auch den endgültigen Abschluss einer traumatischen Erfahrung.
Audio-Botschaften Gaddafis aus dem Untergrund hielten Unruhe wach
Gewiss, in Bengasi hatte der Diktator seit mehr als einem halben Jahr, in Tripolis seit zwei Monaten keine Macht mehr über sie. Doch seine grotesken Audio-Botschaften aus dem Untergrund, die ein syrisch-irakischer Fernsehsender verbreitete, hielten mit ihren Durchhalteparolen für seine letzten, schwer bewaffneten Getreuen eine gewisse Unruhe wach.
"Selbst als Tripolis befreit war, fühlten wir uns nie so frei wie jetzt", meinte Fuad al-Mabruk, ein Bewohner von Bengasi. "Für uns war immer klar: Das Leben kann nicht zur Normalität zurückkehren, so lange Gaddafi nicht weg ist. Jetzt ist der Augenblick gekommen."
"Gott ist groß! Gott ist groß!", riefen die Milizionäre immer wieder, wie in Fernsehbildern zu sehen war. Andere tanzten und sangen. In Sirte, wo Gaddafi getötet wurde und wo die Ex-Rebellen erst am selben Tag die letzten Widerstandsnester der Pro-Gaddafi-Kämpfer niedergerungen hatten, verbrannten sie die letzten grünen Fahnen des Gaddafi-Staates und zerrissen die letzten Bilder des Diktators.
"Nach all dem werden wir Jerusalem und Palästina und die gesamte arabische Nation befreien", rief ein enthusiastischer Milizionär ins Mikrofon des Fernsehsenders Al-Dschasira. Auch in Tripolis skandierte die Menge immer wieder Parolen zur Unterstützung der Menschen in Syrien, im Jemen, in Palästina. Die nun restlos befreiten Libyer vergessen nicht, dass anderswo in der Region noch mit Despotie oder Besatzung gerungen wird.
dpa/sr - Bild: Sabri Elmhedwi (epa)