"Wir stehen vor einem entscheidenden Augenblick, einem Schlüsselmoment, nicht nur für den Euro sondern für Europa insgesamt." José Manuel Barroso lässt keinen Zweifel aufkommen: Die nächsten Tage sind von wegweisender Bedeutung.
Am kommenden Sonntag kommen die EU-Staats- und Regierungschefs, flankiert von ihren Finanzministern, zu einem Krisengipfel zusammen. Auf der Tagesordnung: nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft des Euro.
Zuallererst geht es um eine Stärkung des Euro-Krisenmechanismus, des ominösen Euro-Rettungsfonds EFSF. Nicht nur, dass man sich auf die genaue Funktionsweise des Rettungsschirms verständigen muss: Wo kann er intervenieren, und wo nicht. Eine andere Kernfrage lautet weiterhin: Reicht das Volumen von 440 Milliarden Euro aus? Viele Experten sind der Ansicht, dass der Fonds größer sein müsste, um wirklich alle Zweifel auszuräumen, um das Vertrauen in die Eurozone dauerhaft wiederherzustellen.
Da kursieren astronomische Zahlen: 1.000, noch besser: 2.000 Milliarden Euro wären nötig, um endlich mal Ruhe zu haben. Insbesondere für Deutschland ist aber eine weitere Aufstockung des Rettungsschirms derzeit ein rotes Tuch. Und plötzlich geisterten Gerüchte durch die Presse, wonach sich die deutsche Bundesregierung urplötzlich einverstanden erklärt habe, den Umfang des Rettungsschirms zu erweitern.
Punkt, Aus, Schluss, Basta!
Die Antwort gab's in Berlin aus dem Mund des Sprechers des deutschen Finanzministers: An der deutschen Garantie-Obergrenze von 211 Milliarden Euro werde nicht gerüttelt, sagte der Sprecher, der in ungewöhnlich ungefilterter, undiplomatischer Form hinzufügte: "Das ist es. Punkt, Aus, Schluss, Basta!". Das hat den Vorteil, dass es deutlich ist.
Nur: So paradox es klingen mag, es ist anscheinend möglich, den Rettungsfonds schlagkräftiger zu machen, ohne ihn aufzustocken. Man spricht hier von einem "Hebeleffekt". Grob zusammengefasst: Der Fonds beteiligt sich nur teilweise an der Refinanzierung eines Staates, angenommen zu einem Fünftel. Das Land ist sicher, dass es zumindest ein Fünftel des erforderlichen Kredits bekommt, und der Fonds legt - im Falle eines Kreditausfalls - nur ein Fünftel auf den Tisch. Würde bedeuten: Der Rettungsschirm kann, wie von Geisterhand, fünf Mal mehr Risiken abdecken.
Hier will man also, buchstäblich, den "Hebel ansetzen": Es geht darum, den Rettungsschirm so auszufeilen, dass er so effizient wie möglich ist. Mit dieser Feinmechanik sind im Augenblick federführend Deutschland und Frankreich beschäftigt. Paris und Berlin wollen bis Sonntag einen spruchreifen Vorschlag ausgearbeitet haben.
Mehr Zeit?
Allerdings spielt vor allem die deutsche Bundesregierung noch auf Zeit. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird mit den Worten zitiert: Die Staaten haben Jahrzehnte gebracht, um ihre Schuldenberge aufzuhäufen, die Lösung dafür kann man nicht in einigen Tagen herzaubern. Andere Staaten plädieren hingegen dafür, am Sonntag endlich ein für allemal Nägel mit Köpfen zu machen.
Wie denkt die EU-Kommission darüber, wurde denn auch José Manuel Barroso gefragt. Nun, so sagte der Kommissionspräsident, die Kommission werde hier nicht dem einen Staat Recht und dem anderen Unrecht geben. Nur so viel, fügt Barroso fast schon salomonisch hinzu: Alles, was am Sonntag passieren wird, hat Folgen: Das, was entschieden wird, und das, was nicht entschieden wird.
dpa/dradio/mh - Bild: belga