Jean-Claude Trichet bleibt seiner Linie bis zuletzt treu: Auf seiner letzten Ratssitzung als Präsident der Europäischen Zentralbank hielt der Franzose den Forderungen nach einer Zinssenkung angesichts der Staatsschuldenkrise und der drohenden Rezession stand.
Der EZB-Rat beschloss bei seiner auswärtigen Sitzung am Donnerstag in Berlin, den Leitzins im Euro-Raum bei 1,5 Prozent zu belassen.
Das von zahlreichen Ökonomen geforderte Abschiedsgeschenk, die jüngsten Zinserhöhungen von 1,0 auf nun 1,5 Prozent zurückzunehmen, blieb damit aus. Bei einer Inflation von 3,0 Prozent hätte das wohl auch die Glaubwürdigkeit der Währungshüter untergraben, deren oberstes Ziel stabile Preise sind - zumal sie die Zügel erst im Juli angezogen hatten.
Allerdings dürfte die Notenbank weiter massiv am Anleihenmarkt Papiere klammer Staaten aufkaufen, um die Zinslast der Schuldensünder zu senken. Zudem wird sie die Geschäftsbanken weiter unbegrenzt mit billigem Geld ausstatten, um ein Austrocknen des Kreditmarktes zu verhindern.
Inflation auf dem höchsten Stand seit drei Jahren
Vor allem die unerwartet hohe Inflation im September dürfte die Notenbank dazu bewegt haben, den wichtigsten Zins zur Versorgung der Geschäftsbanken im Euro-Raum mit Zentralbankgeld nicht wieder zu senken. Denn die Teuerung liegt auf dem höchsten Stand seit drei Jahren und weit über dem Zielwert der Währungshüter. Die EZB sieht Preisstabilität bei einer Jahresteuerung knapp unter zwei Prozent gewahrt. "Wir haben nur eine Nadel im Kompass. Wir müssen Preisstabilität garantieren", sagte Trichet im Laufe seiner achtjährigen Amtszeit immer wieder.
Niedrige Zinsen verbilligen Kredite. Das erhöht die Investitionsneigung von Unternehmen und die Konsumfreude der Verbraucher - und kurbelt so die Konjunktur an. Damit befeuern niedrige Zinsen aber gleichzeitig die Inflation.
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