Im Norden Libyens haben tausende Bewohner von Sirte eine Kampfpause zur Flucht aus der seit Wochen belagerten Geburtsstadt des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi genutzt.
Nach den schweren Gefechten vom Wochenende bereiteten die Truppen des Übergangsrates einen neuen Großangriff auf die Hafenstadt vor, wie der arabische Nachrichtensender Al-Arabija am Montag berichtete.
"Wir nutzen die kurze Feuerpause, um die Stadt zu verlassen, da sich auch die humanitäre Lage weiter verschlechtert", sagte einer der flüchtenden Bewohner dem Sender. Die Menschen verließen Sirte in Autokonvois. Nach Schätzungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) haben inzwischen knapp 10.000 Bewohner die Stadt verlassen. Rotkreuz-Helfer hatten schon am Wochenende von einer schwierigen Lage der Zivilbevölkerung in der umkämpften Stadt berichtet.
Die im Stadtzentrum verschanzten Gaddafi-Milizen leisteten weiter erbitterten Widerstand. Vor allem auf Dächern postierte Heckenschützen bereiteten den Truppen des Übergangsrats erhebliche Schwierigkeiten. Die Schützen würden auch Zivilisten unter Beschuss nehmen, die aus der Kampfzone flüchten wollten.
Das IKRK wies auf extreme Versorgungsprobleme in den Krankenhäusern der Stadt hin. Menschen müssten sterben, weil Sauerstoff für die Beatmung fehle, berichtete der Sender BBC. Auch der Kraftstoff für die Stromgeneratoren sei vielerorts zur Neige gegangen. Eine Gruppe von Rotkreuz-Helfern, die in den westlichen Teil von Sirte vorgedrungen war, berichtete von einer "sehr schlechten" Lage der Zivilisten. Neben dem Beschuss durch die Gaddafi-Milizen litten die Anwohner auch unter Mangel an Trinkwasser und Nahrungsmitteln.
Regierungschef Mahmud Dschibril im Amt betsätigt
Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, kündigte am Montag in Bengasi an, eine neue Übergangsregierung werde "in einem Monat" gebildet werden., "nachdem wir offiziell die Befreiung verkündet haben". Das Führungsgremium der Aufständischen bestätigte seinen Regierungschef Mahmud Dschibril im Amt. Zugleich wurden einige Mitglieder des Kabinetts ausgewechselt.
Der international geschätzte Dschibril hatte Ende September mitgeteilt, er wolle in der zukünftigen Regierung keine Rolle mehr spielen. Er war zuletzt vor allem aus dem islamistischen Lager angefeindet worden.
Die Nato fürchtet nach einem Bericht von "Spiegel Online" Anschläge mit Raketen, die aus den libyschen Militär-Depots verschwunden sind. In den vergangenen Wochen hatten Berichte über geplünderte Armeebestände wiederholt für Aufsehen gesorgt. Bis zu 10.000 Boden-Luft-Raketen könnten gestohlen worden sein. Bei einer vertraulichen Unterrichtung für deutsche Bundestagsabgeordnete am vergangenen Montag in Brüssel habe Admiral Giampaolo di Paola, Vorsitzender des Militärausschusses des Bündnisses, eindringlich vor möglichen Terror-Anschlägen auf die zivile Luftfahrt mit den verschwundenen Raketen gewarnt.
Eine Nato-Sprecherin in Brüssel bestätigte, dass man Probleme mit verschwundenen Waffen befürchte. Zu Details wollte sie aber nichts sagen. Es gebe diesbezüglich auch keine offizielle Warnung der Nato.
Etwas mehr Klarheit gibt es hingegen über die Lieferwege von deutschen G36-Sturmgewehren, die im August von libyschen Rebellen in einer Gaddafi-Residenz gefunden worden waren. Sie sollen nach einem Zeitungsbericht aus einer Ägypten-Lieferung stammen. Die Bundesregierung habe dem Hersteller Heckler & Koch 2003 Exportgenehmigungen für 608 Sturmgewehre und Munition erteilt, schreibt die "Bild am Sonntag". Eine Sprecherin des Unternehmens habe das Geschäft bestätigt und unterstrichen, dass die Lieferung nach Ägypten legal erfolgt sei. Wie die Waffen von dort weiter in die Gaddafi-Residenz in Tripolis gelangen konnten, bleibe unklar.
dpa/rkr - Archivbild: Sabri Elmhedwi (epa)