Nach seinem Deutschland-Besuch sorgt Papst Benedikt XVI. mit der Absage an innerkirchliche Reformen und mehr Ökumene weiter für Diskussionen. Kirchenkritiker äußerten sich am Montag ebenso enttäuscht wie Vertreter der evangelischen Kirche. Dagegen werteten die Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken den viertägigen Besuch in Berlin, Thüringen und Freiburg als großen Erfolg.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, sprach von einem wichtigen Anstoß. Zugleich habe das Kirchenoberhaupt die deutschen Katholiken aber auch vor Herausforderungen gestellt. Darüber müssten die Bischöfe auf ihrer Vollversammlung vom 4. bis 7. Oktober in Fulda reden. Der Papst habe die konkreten Probleme nicht angesprochen, weil es ihm um die grundsätzliche Frage des Glaubens gehe.
"Signal zum Innehalten"
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, sagte mit Verweis auf den großen Zuspruch bei den Papstmessen: "Die Behauptung, dass die deutschen Katholiken Rom und dem Papst kritisch gegenüberstehen, ist nun wirklich widerlegt." Auch bei der Ökumene habe es Fortschritte gegeben. "Jetzt besteht die Chance, dass beide Kirchen das Reformationsjubiläum 2017 gemeinsam gestalten können", sagte Glück der "Passauer Neuen Presse" (Montag).
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) äußerte sich enttäuscht, dass sich Papst Benedikt XVI. bei seiner Deutschlandreise unnachgiebig gezeigt habe. "Innerkirchliche Kritik wird zu schnell als illoyal und ungehorsam hingestellt, statt zu sehen, dass sie aus Sorge erfolgt", sagte der engagierte Katholik der "Welt" (Montag). Auf "argumentativen Gegenprotest" gehe die katholische Kirche zu wenig ein.
Konkrete Lösungsvorschläge für die aktuellen Probleme lieferte der Papst nicht. Vielmehr öffnete er mit seiner Anregung, die Kirche soll auf ihre staatliche Privilegien verzichten, noch ein weiteres Diskussionsfeld. Zollitsch wertete die Forderung nach einer Ent-Weltlichung der Kirche als Signal zum Innehalten. Dem Papst gehe es nicht um die Abschaffung der Kirchensteuer oder des Religionsunterrichts.
"Demonstration des römischen Zentralismus"
Der Tübinger Theologe Hans Küng schrieb in einem Gastbeitrag für die "Freie Presse" (Montag), Papst Benedikt XVI. habe ein offenes Ohr und ein hörendes Herz versprochen. Tatsächlich habe er aber mit versteinertem Herz auf die Reformanliegen der meisten deutschen Christen reagiert und sei zudem ein Haupthindernis für die ökumenische Verständigung mit der evangelischen Kirche.
Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock kritisierte den Papstbesuch als "Demonstration des römischen Zentralismus". Die von Benedikt repräsentierte Kirche "entzieht sich in einer bedrückenden dogmatischen Verengung sogar Diskussionen über Fragen, die gar keine ewigen Glaubenswahrheiten sind", sagte Kock dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag).
Es war der dritte Besuch des deutschen Papstes in seiner Heimat und der erste Staatsbesuch in Deutschland. Am Sonntagabend flog der 84-Jährige nach Rom zurück.
dpa/km - Bild: Patrick Seeger (epa)