Tausende Bürger haben in Syrien am Freitag nach dem Mittagsgebet erneut gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad demonstriert. Nach Angaben von syrischen Exil-Aktivisten in Beirut töteten die Sicherheitskräfte bei Angriffen auf die Kundgebungen insgesamt neun Demonstranten. 40 weitere Menschen hätten Verletzungen erlitten. Wegen der Medienblockade des Regimes ließen sich die Informationen von unabhängiger Seite nicht überprüfen.
Die Demonstrationen am Freitag standen unter dem Motto "Einheit der Opposition zum Sturz des Regimes ist eine nationale Pflicht". Bislang konnte sich die syrische Opposition nicht zu einem gemeinsamen Handeln durchringen. Westliche Diplomaten nennen dies oft als Grund für das Abwarten der internationalen Gemeinschaft im Syrienkonflikt.
Erschütternder Fall von Brutalität des syrischen Geheimdienstes
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International dokumentierte am Freitag einen besonders erschütternden Fall von Brutalität des Geheimdienstes in Syrien. Die 18-jährige Sainab al-Hosni war Ende Juli vom Geheimdienst verschleppt worden. Der wollte damit Druck auf ihren Bruder Mohammed (27), einen Aktivisten der Protestbewegung in Homs, ausüben. Bald darauf wurde auch der Bruder festgenommen. Beide seien offenbar in der Haft gefoltert, getötet und verstümmelt worden, hieß es in der Amnesty-Mitteilung. Sainabs Leiche erhielten die Eltern mit abgetrenntem Kopf und Armen zurück. Mohammeds Körper wies Folterspuren und Einschüsse auf.
Amnesty hat der Mitteilung zufolge Kenntnis von 103 Fällen, in denen syrische Bürger seit Beginn der Proteste im März mutmaßlich in Haft getötet wurden. Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) sollen seitdem insgesamt 2700 Menschen ums Leben gekommen sein, die meisten von ihnen gewaltlose Demonstranten, die bei Kundgebungen von Sicherheitskräften erschossen wurden.
Sanktionen gegen das Regime in Damaskus erweitert
Die Europäische Union (EU) weitete indes ihre Sanktionen gegen das Regime in Damaskus aus. Die Regierungen der 27 EU-Staaten stimmten am Freitag einem Verbot von Öl-Investitionen und der Lieferung von Geldscheinen und Münzen an die Zentralbank des Landes zu. Dies teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel mit. Die EU werde "weitere Maßnahmen" prüfen, wenn Assad die blutige Verfolgung der Opposition in seinem Land fortsetze.
Das jetzt beschlossene Investitionsverbot bedeutet, dass EU-Firmen weder in syrische Ölfirmen investieren noch sich an diesen beteiligen dürfen. Die Ölfirmen dürfen auch keine Kredite mehr aus der EU bekommen.
Über Wirtschaftssanktionen hinaus erwägt der Westen allerdings kein militärisches Eingreifen wie in Libyen zum Schutz der Zivilbevölkerung. In diesem Zusammenhang ließen die jüngsten Worte von Scheich Ahmed al-Tajjib, dem Oberhaupt des Al-Azhar Islam-Instituts in Kairo, aufhorchen. Nach einem Treffen mit syrischen Oppositionellen hatte der ägyptische Kleriker erklärt: "Das syrische Blut ist nicht weniger würdig als das Blut der Libyer."
Einige Beobachter in der Region wollen dies als einen Appell an die Nato verstehen, auch in Syrien Luftangriffe gegen das Militär zu fliegen. Al-Azhar gilt als die gewichtigste theologische Institution im sunnitischen Islam. Ein Sprecher der Protestbewegung in Damaskus sagte dazu am Freitag in einem Telefoninterview der Nachrichtenagentur dpa, dass diese ein militärisches Eingreifen von außen weiterhin ablehne. Zugleich äußerte er "Verständnis" für die Äußerungen von Scheich Al-Tajjib. Offensichtlich sehe der Geistliche angesichts der Gräueltaten des Regimes in Syrien keine andere Option mehr als die militärische, sagte der Aktivist.
dpa/sr - Bild: Andrew Gombert (epa)