Was einst die Concorde am Himmel oder die Ariane-Rakete im All war, ist auf den Schienen Frankreichs der Train à Grande Vitesse (TGV).
Ein technologisches Spitzenprodukt, das vor 30 Jahren (am 22. September 1981) erstmals auf der Strecke von Paris nach Lyon an den Start ging.
Von Beginn an befeuerte es als Prestigeprojekt den Nationalstolz. Der damalige Präsident Georges Pompidou hatte das Großprojekt 1974 angestoßen.
Der Zug hat das Leben der Franzosen nachhaltig geprägt: Lange Distanzen schrumpften zusammen und begünstigten den Massentourismus ebenso wie das Leben der Pendler auf dem Land. Seit Paris von Marseille nur noch rund drei TGV-Stunden entfernt liegt, sind in der Hafenstadt nach Medienberichten die Immobilienpreise zwischen 1999 und 2007 um mehr als 100 Prozent explodiert.
Alternative zum Flugzeug
Auf Kurz- und Mittelstrecken ist der mit Tempo 300 bis 320 dahin schwebende TGV längst eine angenehme und erschwingliche Alternative zum Flugzeug geworden. Mit 1,7 Milliarden Fahrgästen in drei Jahrzehnten - Studenten, Senioren, Geschäftsleute - hat er sich zum überaus populären Erfolgsträger entwickelt.
Kein Wunder, dass Frankreichs Staatsbahn SNCF bereits seit Anfang April das 30-jährige Jubiläum mit Aktionen und Veranstaltungen begeht. Wenige Tage vor dem Jahrestag eröffnete Präsident Nicolas Sarkozy außerdem den ersten 140 Kilometer langen Teilabschnitt der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke Rhein-Rhone zwischen Dijon und Mülhausen. Sie soll ab dem 11. Dezember genutzt werden können. Die Rhein-Rhone-Linie soll zu einer zentralen Verkehrslinie zwischen Nord- und Südeuropa werden und ab Frühjahr 2012 auch eine Direktverbindung von Frankfurt am Main bis ans Mittelmeer ermöglichen.
Massentransport mit Hochgeschwindigkeit
«Frankreich ist eines der Länder, die mit dem Massentransport bei Hochgeschwindigkeit Erfolg haben», sagte der Chef des TGV-Herstellers Alstom, Patrick Kron, im April französischen Journalisten. Seit 1981 hat Alstom der Staatsbahn SNCF 540 TGV-Züge geliefert - im Export dagegen war er mit 103 Exemplaren nicht gerade ein Kassenschlager. Und es droht vorerst auch von der SNCF kaum Neuaufträge zu geben, weil die alten TGV noch im Einsatz bleiben.
2008 hatte Alstom mit seinem Superschnellzug AGV (Automotrice à Grande Vitesse) versucht, einen TGV-Nachfolger zu präsentieren. Wie beim ICE-3 von Siemens treiben beim AGV mehrere über den Zug verteilte Motoren die Waggons an - beim TGV gibt es dagegen nur im Triebkopf einen Antrieb. Das neue Konzept schafft mehr Platz und erhöht die Leistung. Alstom hat 100 Millionen Euro in die vierte Generation seiner Hochgeschwindigkeitszüge gesteckt, die vor allem für die verschiedenen Exportmärkte konzipiert wurde.
Weltrekord
Im Frühjahr 2007 hatte ein AGV-Testfahrzeug mit 574,8 Stundenkilometern sogar den absoluten Weltrekord aufgestellt. Bis Ende des Jahres werden die ersten Auslieferungen des AGV erwartet, Italien wird Erstkunde. Der Zug soll mit Tempo 350 bis zu 900 Passagiere befördern können, fast 400 mehr als ein TGV mit Doppelstock-Waggons.
Kommerziell jedoch klemmt es nach den profitablen Anfangsjahren im TGV-Verkehr. Der Grund liegt in den steigenden Gebühren für die Nutzung des 1900 Kilometer langen französischen Gleiskörpers, der dem Unternehmen Reseau Ferré de France (RFF) gehört. Im vergangenen Jahr zahlte die SNCF dafür 1,5 Milliarden Euro, dieses Jahr dürften es 200 Millionen mehr sein.
Immerhin sind die Kosten für den Bau der TGV-Strecken beachtlich. Denn anders als das deutsche Pendant ICE fährt der TGV bis auf wenige Ausnahmen nur auf eigens für ihn gebauten Strecken. Bis 2020 ist der Ausbau auf 2000 Schienenkilometer geplant - sofern alle Projekte realisiert werden. Insgesamt hat Frankreich bis heute weit mehr als 30 Milliarden Euro in den Ausbau der TGV-Strecken investiert.
dpa - Bild: Horacio Villalobos (epa)