Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron sind zu einem Überraschungsbesuch im weitgehend befreiten Libyen eingetroffen. Nachdem ihre Maschinen auf dem Militärflughafen Mitiga gelandet waren, wurden die beiden Politiker von einem enormen Aufgebot an Sicherheitskräften ins Zentrum der Hauptstadt Tripolis begleitet.
Anschließend besuchten sie ein Krankenhaus mit Kriegsverletzten und trafen mit den Mitgliedern des Übergangsrates zusammen. Dieser lenkt seit der Vertreibung des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi aus Tripolis die Geschicke des Landes.
Sarkozy und Cameron sind die ersten ausländischen Staatsführer, die Libyen seit dem Umsturz im August besuchen. Der Franzose und der Brite waren die treibende Kraft hinter den Nato-Luftangriffen, die die Zivilbevölkerung vor Übergriffen des Gaddafi-Militärs schützen sollten. Zugleich ermöglichte der Nato-Einsatz den vom Übergangsrat geführten Rebellen-Verbänden, die wesentlich besser ausgerüsteten Gaddafi-Streitkräfte niederzuringen.
"Frankreich und Europa werden an Eurer Seite sein. Alle Diktatoren der Welt müssen verstehen, dass es im 21. Jahrhundert keinen Ort der Straffreiheit mehr gibt."
Nicolas Sarkozy in Tripolis
Gaddafi ist seit dem Umsturz untergetaucht. Er wird aber noch in Libyen vermutet. Einige seiner Generäle und Familienmitglieder sind in die Nachbarländer Algerien und Niger geflohen. Die Rebellen-Truppen belagern derzeit die letzten Widerstandsnester der Gaddafi-Loyalisten, darunter die Küstenstadt Sirte und die Wüstenstadt Bani Walid, 150 Kilometer südöstlich von Tripolis.
Wirtschaftsinteressen
Beobachter gingen davon aus, dass Cameron bei seinem Besuch in Tripolis Hilfe für den Aufbau der neuen Zivilverwaltung ankündigen würde. Sarkozy und Cameron erwarteten wiederum, dass die neuen Führer des Landes ihre Zusage bekräftigen, bestehende Wirtschaftsverträge einzuhalten. Unternehmen aus Frankreich und Großbritannien - wie auch aus den USA, Italien und Deutschland - waren unter Gaddafi an der Nutzung der bedeutenden Erdöl- und Gaslagerstätten und am Ausbau der Infrastruktur in Libyen beteiligt.
Cameron und Sarkozy wollten noch im Laufe des Tages in die ostlibysche Metropole Bengasi weiterreisen. Dort war im Februar der Volksaufstand gegen das despotische Gaddafi-Regime ausgebrochen. Einen Monat später hatten die Luftangriffe der Nato auf die Gaddafi-Truppen verhindert, dass die Großstadt in die Hände des Regimes fiel. Gaddafi hatte zuvor der rebellischen Bevölkerung von Bengasi grausame Rache geschworen.
Die beiden westlichen Staatsführer kamen mit ihrer kurzfristig angekündigten Visite dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zuvor. Dieser habe seinen Besuch in Tripolis für diesen Freitag angekündigt, hieß es im türkischen Fernsehsender NTV. Erdogan, dessen Regierung seit Ausbruch des Bürgerkrieges mehrfach Gastgeber von Konferenzen zum Thema Libyen war, hielt sich am Donnerstag noch im benachbarten Tunesien auf.
dpa/km - Bild: Stefan Rousseau (epa)