Man bezeugte sich gegenseitigen Respekt, man betete gemeinsam, man redete miteinander. Eigentlich war man sich von vorne bis hinten einig, als die Delegationen der Stämme aus der Wüstenstadt Bani Walid und des libyschen Übergangsrates am Dienstag in einer kleinen Moschee am Südrand von Tarhuna zusammentrafen.
Bani Walid, bekannt als eine der letzten Gaddafi-Bastionen, liegt von hier noch etwa 50 Kilometer entfernt. "Wir sind einer Einigung sehr nahe", sagte anschließend Abdullah Kenschil, der Verhandlungsführer des Übergangsrates, der Presseagentur dpa. "Die Stammesführer kehren mit unseren Forderungen zurück, und wenn sie grünes Licht geben, können wir ohne bewaffneten Konflikt in die Stadt einrücken."
"Das alte Regime ist gefallen, Bani Walid steht auf der Seite des neuen Libyens", hatte in den Verhandlungen einer der Scheichs aus der Stadt erklärt. Das Problem ist allerdings, dass sich dort noch rund hundert schwer bewaffnete Kämpfer der Entourage des geflohenen Diktators Muammar al-Gaddafi aufhalten. Diese sollen nun dazu bewogen werden, ihre Waffen niederzulegen.
"Am Ende kriegen wir das in den Griff, hoffentlich ohne Blutvergießen", meinte Verhandlungsführer Kenschil. Seit gut einer Woche leitet der ruhige, gefasste Anhänger der Revolution die immer wieder für gescheitert erklärten Gespräche. "Ich werde sehr erleichtert sein, wenn wir das hinter uns haben", fügte er hinzu.
Optimismus des Augenblicks vor Moschee
Vor der Moschee entlud sich der Optimismus des Augenblicks in wildem In-die-Luft-Schießen. Dutzende Milizionäre feuerten ihre Magazine leer, tanzten, sangen und riefen Spottgedichte auf Gaddafi. Dabei blieb ungewiss, was die nächsten Stunden und Tage bringen würden.
Im belagerten Bani Walid soll die Situation für die eingeschlossenen Menschen immer schlimmer werden. "Im Krankenhaus gibt es einen einzigen Narkose-Arzt", berichtet ein Mediziner aus Tarhuna. "Sie haben dort kaum mehr Medikamente und brauchen dringend Hilfe." Die medizinische Versorgung und die Wiederherstellung der Stromversorgung hatten auch bei den Gesprächen der Delegationen ganz oben gestanden.
Lange Zeit hatte Gaddafis Sohn Seif al-Islam eine friedliche Lösung blockiert. Er soll inzwischen aus der Stadt verschwunden sein. Seine negative Rolle soll nun der frühere Regierungssprecher Mussa Ibrahim, ein enger Vertrauter Seif al-Islams, spielen.
Auch ein anderer Gaddafi-Sohn wird dort vermutet. Al-Saadi al-Gaddafi hatte sich allerdings mit versöhnlicheren Tönen zu Wort gemeldet. "Ich bin neutral", hatte er einem US-Fernsehsender gesagt und sein Interesse an einer Verhandlungslösung bekräftigt. Welche Rolle er wirklich spielt und mit welchem Gewicht, ist allerdings nicht klar.
Der Milizionär Saad Mohammed, der aus Bani Walid stammt, verwahrt sich jedenfalls gegen die Behauptung, seine Stadt sei Pro-Gaddafi. "Es sind höchstens zehn Prozent der Leute; die anderen haben unter Gaddafi ebenso gelitten wie alle anderen Libyer auch", sagt der 37-Jährige, der in der Rüstungsindustrie arbeitete. "Glauben Sie mir, wir wünschen uns nichts sehnlicher, als dass wir kampflos in Bani Walid einziehen."
Militärkonvoi im südlichen Nachbarland Niger eingetroffen
Über den möglichen Aufenthaltsort von Libyens Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi gibt es neue Spekulationen. Ein großer libyscher Militärkonvoi ist nach Medienberichten im südlichen Nachbarland Niger eingetroffen.
Der Konvoi "mit 200 Fahrzeugen" habe am Dienstag die Stadt Agadez erreicht, berichtete der Fernsehsender Al-Arabija unter Berufung auf Militärquellen. Arabische Sender spekulierten, dass der bisherige Machthaber Muammar al-Gaddafi mit dem Konvoi sein Land verlassen haben könnte.
Diverse Medien stellten die Vermutung auf, dass Gaddafi über Niger versuchen könnte, das südwestliche Nachbarland Burkina Faso zu erreichen. Das westafrikanische Binnenland hatte dem abgesetzten Staatschef Asyl angeboten. Die Berichte überkreuzten sich mit anderen Meldungen aus der Nacht zum Dienstag, wonach sich Gaddafi noch in Libyen aufhalten soll.
Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira hatte berichtet, er sei noch im Land. Das habe sein Sprecher Mussa Ibrahim einer TV-Station in Syrien gesagt. Dem 69-jährigen Gaddafi gehe es demnach gesundheitlich ausgezeichnet und er sei guter Stimmung.
dpa/jp - Bild: Mohamed Messara (epa)