Vier Tage nach der Eroberung von Tripolis haben die Aufständischen die Regierungsübernahme in Libyen eingeleitet. In einem Triumphzug fuhr am Donnerstag mehr als die Hälfte der Minister des Übergangsrates in den Westen der Hauptstadt ein.
Für den untergetauchten bisherigen Machthaber Muammar al-Gaddafi wird es dagegen immer enger. Nachdem bereits ein Kopfgeld auf den Despoten ausgelobt worden war, hilft jetzt auch die Nato bei der Suche nach ihm. Berichte von Rebellen, wonach Gaddafi in einem Gebäudekomplex in Tripolis eingekesselt worden sei, bestätigten sich bis zum Abend nicht.
Obwohl in Tripolis weiter gekämpft wird, zeigte sich der Übergangsrat entschlossen, kein Machtvakuum in Libyen aufkommen zu lassen. Als der Konvoi die Straße entlangfuhr, jubelten viele Einwohner den politischen Führern des Aufstandes zu, wie eine dpa-Korrespondentin berichtete, die die Fahrt begleitete. Der Verantwortliche des Übergangsrates für das Ölgeschäft, Ali al-Tarhuni, sagte: "Endlich sind wir da." Eine zunächst geplante Pressekonferenz wurde verschoben, weil sie aus symbolischen Gründen im Stadtzentrum stattfinden soll.
Während der Übergangsrat in Tripolis demonstrativ Flagge zeigt, geht die Jagd auf Gaddafi mit aller Entschlossenheit weiter. Die Nato stelle dem Übergangsrat in Libyen sowohl Geheimdienstinformationen als auch Mittel zur Aufklärung und Erkundung zur Verfügung, sagte der britische Verteidigungsminister Liam Fox in einem Interview des Senders BBC. Die Zeitung "Daily Telegraph" hatte zuvor berichtet, eine Spezialeinheit der britischen Armee suche nach Gaddafi und dessen Söhnen. Die Elitesoldaten hätten sich als Einheimische verkleidet.
Suche nach dem Diktator
Der Aufenthaltsort des langjährigen Diktators ist weiterhin nicht bekannt. Für Spekulationen sorgte der stundenlange Beschuss eines Wohnblocks in Tripolis, wo ein örtlicher Kommandeur der Rebellen Gaddafi und seine Söhne vermutete. Andere Aufständische vermuten ihn außerhalb der Hauptstadt. "Gaddafi ist nicht in Tripolis. Er ist an einem Ort ungefähr 150 Kilometer von Tripolis entfernt mit einem seiner Söhne", sagte Atman Ibrahim Mleita, Kommandeur der Rebelleneinheit al-Karkar.
Der frühere Zentralbankchef Farhat Bengdara glaubt, dass Gaddafi entweder in einer Militärbasis nahe Sabha Zuflucht gesucht hat oder bereits auf dem Weg nach Algerien ist. Aus seiner Sicht könnte Gaddafi einen Teil des Goldes im Wert von insgesamt zehn Milliarden Dollar (knapp sieben Milliarden Euro) mit auf die Flucht genommen haben, auch um einige libysche Stämme und Milizen zu bestechen und für seinen Schutz zu gewinnen, sagte Bengdara der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera".
Italien will 350 Millionen Euro freigeben
Nach Informationen des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira forciert der Übergangsrat die Jagd auf Gaddafi, um den Widerstand seiner letzten Kämpfer zu brechen. Zugleich warnte der Chef der libyschen Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, in Mailand vor einer weiteren Destabilisierung seines Landes, falls der Westen nicht schnell die eingefrorenen Gelder des Gaddafi-Clans freigebe. Unter anderem müssten Mitarbeiter im Staatsdienst bezahlt werden, die seit vier Monaten keine Gehälter erhalten hätten. Der Übergangsrat könne scheitern, wenn er die Dienstleistungen für die Bevölkerung nicht finanzieren könne, warnte Dschibril.
Italien will zur Unterstützung der libyschen Übergangsregierung zunächst eine erste Tranche in Höhe von 350 Millionen Euro freigeben. Regierungschef Silvio Berlusconi kündigte weiterhin an, der italienische Energiekonzern Eni wolle die Bevölkerung mit Gas und Benzin versorgen.
Kämpfe gehen weiter
Unterdessen leisten Gaddafi-Kämpfer weiter erbitterten Widerstand gegen den Untergang des Regimes. Feuergefechte zwischen Gaddafis Truppen und Aufständischen wurden am Donnerstag nicht nur aus der Hauptstadt Tripolis, sondern auch aus anderen Landesteilen gemeldet. Zu den schwersten Kampfhandlungen in Tripolis kam es nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN am internationalen Flughafen. Gaddafi-Kämpfer versuchten, die Kontrolle über den Flughafen zurückzuerlangen. Auch in Gaddafis ehemaligem Militärhauptquartier Bab al-Asisija wurde weiter gekämpft.
Die Aufständischen hätten erst 80 Prozent der Militäranlage mit Bunkern, Tunnelsystemen und Baracken unter Kontrolle gebracht. Rebellen und ehemalige Regierungstruppen kämpften auch um beiden Kleinstädte Suwara und Adschajlat im Nordwesten Libyens.
dpa/km - Bild: Hannibal Hanschke (epa)