Den Rebellen in Libyen ist es noch nicht gelungen, Diktator Gaddafi zu stürzen. Auch 80 Kilometer westlich von Tripolis gibt es weiter Kämpfe zwischen Oppositionellen und Gaddafi-Anhängern. Über einen Tag nachdem die Rebellen die Hauptstadt Tripolis weitgehend eingenommen haben, ist weiter unbekannt, wo sich Gaddafi aufhält.
In der Nacht gab es schwere Gefechte um die Residenz des Machthabers. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Arabija unter Berufung auf Angaben der Rebellen berichtete, griff auch die Nato das Anwesen im Stadtteil Bab Al-Asisija an. Es seien schwere Explosionen zu hören gewesen. Das dortige Bunkersystem gilt als eines der möglichen Verstecke.
Saif Al-Islam: "Das war eine Falle"
Dagegen ist überraschend Gaddafis Sohn Saif al-Islam in der Nacht zum Dienstag völlig überraschend vor einem vor allem von Journalisten bewohnten Hotel in Tripolis aufgetaucht. Zuvor hatten die Rebellen angegeben, den 39-Jährigen, der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird, am Sonntagabend gefangen genommen zu haben.
Saif al-Islam Gaddafi sei auf freiem Fuß und in einem gepanzerten Fahrzeug vor dem Hotel Rixos vorgefahren, das in einem von Regierungstruppen kontrollierten Gebiet liegt, berichtete ein Korrespondent der britischen BBC aus Tripolis. Er habe bestritten, dass die Aufständischen den größten Teil der Hauptstadt unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Es habe sich um eine Falle gehandelt. "Wir haben den Rebellen das Rückgrat gebrochen", habe er während der kurzen Unterhaltung mit den Journalisten gesagt. Auf die Frage, ob sein Vater sich noch in Tripolis befinde und in Sicherheit sei, habe er achselzuckend "selbstverständlich" erwidert.
Dem BBC-Bericht zufolge blieb bei dem kurzen Auftritt am Hotel unklar, ob Saif al-Islam Gaddafi aus der Hand der Rebellen freigekommen sei oder sich überhaupt nicht in ihrer Gewalt befunden habe. Wie es weiter hieß, strahlte der regierungstreue Sender al-Urubah in der Nacht jedoch eine kurze Erklärung des Gaddafi-Sohns aus, in der dieser bestritt, gefangen genommen worden zu sein.
Obama warnt vor Vergeltung und Gewalt
"Es ist noch nicht vorbei", sagte US-Präsident Barack Obama am Montag in einer von den großen amerikanischen TV-Sendern ausgestrahlten Audio-Botschaft zur Lage in Libyen. Noch hätten die Rebellen den Machtkampf in Tripolis nicht endgültig gewonnen. "Doch so viel ist klar: Das Gaddafi-Regime ist am Ende und die Zukunft Libyens liegt in der Hand des Volkes", sagte er. Zugleich warnte der US-Präsident: "Wahre Gerechtigkeit kommt nicht durch Vergeltungsmaßnahmen und Gewalt. Sie kommt durch Versöhnung und durch ein Libyen, das seinen Bürgern erlaubt, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen."
Die Rebellen kontrollieren nach ihrem Einmarsch in der Nacht zum Montag nach eigenen Angaben nun bis zu 95 Prozent der libyschen Hauptstadt. Die Residenz des Diktators auf einem schwer gesicherten Militärgelände in Bab Al-Asisija ist aber weiter in der Hand der Regierungstruppen. Ein Bunkersystem unter der Anlage gilt als ein möglicher Aufenthaltsort Gaddafis. Anderen Spekulationen zufolge könnte sich der Diktator in Richtung algerische Grenze oder in seinen Heimatort Sirte abgesetzt haben, der ebenfalls noch von Regierungstruppen kontrolliert wird.
Wie der arabische Nachrichtensender Al-Dschsira in der Nacht zum Dienstag berichtete, fanden Rebellen zwei Leichen, bei denen es sich um die von Senussis und die von Chamis al-Gaddafi, eines weiteren Sohnes des Diktators, handeln könnte. Eine Bestätigung dafür gab es aber nicht. Chamis al-Gaddafi, der eine Eliteeinheit der Truppen seines Vaters im Kampf gegen die Rebellen kommandierte, wurde bereits mehrfach von den Aufständischen für tot erklärt. Das Regime hatte die Angaben jedes Mal zurückgewiesen.
Am Montag war Gaddafis ältestem Sohn Mohamed nach Berichten der Rebellen die Flucht gelungen. Er hatte sich den Angaben zufolge beim Einmarsch der Aufständischen am Sonntagabend ergeben und war unter Hausarrest gestellt worden. Später sei er mit Hilfe von Regierungstruppen entkommen, hieß es.
dpa/vrt/okr/km - Bild: epa/str