Im Streit um den Umgang mit Randalierern und Jugendbanden nach den England-Krawallen hat Premierminister David Cameron von der Polizei eine Taktik der «Null-Toleranz» nach US-Vorbild verlangt.
«Wir haben die Sprache der Null-Toleranz nicht klar genug gesprochen, aber das wird nun deutlicher werden», sagte Cameron in einem Interview mit der Zeitung «Sunday Telegraph».
Zugleich kündigte Cameron, der für sein anfangs scheinbar unentschlossenes Agieren während der Krawalle in die Kritik geraten ist, die Ausarbeitung einer neuen Strategie zur Eindämmung von Unruhen an.
Kritik
Hochrangige Polizeioffiziere und selbst Politiker der Regierungskoalition kritisierten Camerons neue Linie umgehend. Vor allem an der Einschaltung des amerikanischen Ex-Polizeichefs Bill Bratton als Berater für den Premierminister und das Innenministerium erhitzten sich am Sonntag die Gemüter. England brauche keinen «Super-Cop» aus den USA, monierte der Chef der Vereinigung der Polizei-Offiziere, Sir Hugh Orde.
Der heute 63-jährige Bratton hatte einst in New York zusammen mit dem damaligen Bürgermeister Rudy Giuliani die «Null-Toleranz»-Taktik durchgesetzt. Dabei wurde jeder Polizist verpflichtet, selbst gegen kleinere Vergehen wie das Schwarzfahren in der U-Bahn oder Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit einzuschreiten und Strafen zu verhängen.
1992 hatte Bratton als Polizeichef die Einsätze zur Beendigung tagelanger Bande-Unruhen in Los Angeles geleitet. Dort gebe es jedoch heute noch 400 Gangs, erklärte Sir Hugh in einem Interview des «Independent». «Mir scheint, wenn man immer noch 400 Gangs hat, dann war man nicht besonders effektiv», sagte der Interessenvertreter der britischen Polizisten. Der Stil der Polizeiarbeit in den USA sei auch angesichts des dortigen «Niveaus an Gewalttätigkeiten grundlegend anders als hier».
Ähnlich äußerten sich auch andere Polizeioffiziere. Kritik erntete Cameron auch vonseiten der Liberaldemokraten, die mit seiner Konservativen Partei die Regierung stellen. Die Politik müsse sich vor «überhasteten Reaktionen» hüten, warnte der stellvertretende Vorsitzende der Liberaldemokraten, Simon Hughes. So würde eine von Cameron angedachte Streichung der Sozialhilfe für Krawall-Beteiligte die Straßenkriminalität eher noch verstärken als eindämmen, erklärte Hughes in einem Interview mit dem «Observer».
Anklage
Für eine Beruhigung der angespannten Lage in Birmingham sorgte derweil die Erhebung von Anklagen gegen zwei Tatverdächtige, die dort an der Ermordung von drei jungen Männern während der Krawalle beteiligt gewesen seien sollen. Es handele sich um einen Jugendlichen von 17 Jahren sowie um einen 26-jährigen Mann, teilte ein Polizeisprecher am Sonntag mit. Die drei jungen Männer waren in der vergangenen Woche auf dem Bürgersteig gezielt mit einem Auto überfahren worden. Sie hatten versucht, ihr Wohngebiet vor Plünderern zu schützen.
Einwohner des betroffenen Viertels der zweitgrößten Stadt Englands waren am Sonntag erneut zu einem Protestmarsch gegen die Bluttat aufgerufen worden. Angehörige der Ermordeten appellierten aber an alle Teilnehmer, ausschließlich friedlich zu demonstrieren.
Gut eine Woche nach dem Ausbruch der Krawalle in London und anderen englischen Städten, bei denen insgesamt fünf Menschen ums Leben kamen, normalisierte sich die Lage am Samstag und Sonntag weiter. So verliefen Auftaktspiele der neuen Fußball-Saison in der Premier League sowie andere sportliche Großereignisse - darunter ein internationales Radrennen als Test für die Olympischen Spiele in London im Sommer 2012 - ohne Störungen.
dpa - Bild: Mk Chaudhry (epa)