Gerade war ein wenig Frieden eingekehrt, der Paukenschlag um den Abgang von Dominique Strauss-Kahn von der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) so gut wie verhallt.
Inmitten von Schuldenkrisen beiderseits des Atlantiks hatte sich Nachfolgerin Christine Lagarde mit einem ambitionierten Programm kopfüber in die Arbeit gestürzt, da bricht schon wieder Unruhe über die globale Finanzfeuerwehr herein - diesmal in Form eines drohenden Untreue-Verfahrens gegen die elegante Französin.
Viel ist unterdessen noch gar nicht passiert. Die französische Justiz machte erst einmal den Weg frei für eine Untersuchung einer millionenschweren Entschädigungszahlung aus der Staatskasse an einen Geschäftsmann, die Lagarde als Wirtschaftsministerin zu verantworten hatte. Auf die 55-Jährige kommt nun ein Verfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und Komplizenschaft zu. Lagarde selber weist alle Vorwürfe zurück und bestreitet jedes Fehlverhalten.
Exekutivrat des Fonds wusste vor Wahl Lagardes von dem Fall
Der Exekutivrat des Fonds wusste freilich von dem Fall, bevor er Ende Juni einstimmig den Daumen für die Französin hob. Mehr noch: Der oberste IWF-Rechtsberater habe mit dem Büro des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy den Vorgang beraten, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Insider. "Die Fakten stellten den Rat am Ende zufrieden", schreibt die Zeitung weiter. Kein Wunder, dass das Gremium am Donnerstag erklärte, es sei "zuversichtlich", dass Lagarde "in der Lage sein wird, ihren Pflichten als Geschäftsführende Direktorin effektiv nachzukommen".
"Die französische Untersuchung wird Christine Lagarde wohl kaum den Job kosten", meint auch das US-Magazin "Time". Die nun folgenden juristischen Schritte dürften alles in allem Jahre in Anspruch nehmen - "und könnten leicht die Beseitigung der Vorwürfe zur Folge haben, lange bevor sie abgeschlossen sind". Lagarde sei noch nicht einmal offiziell eine Verdächtige in dem Verfahren. Und selbst im schlimmsten Falle hätte sie "ziemlich begrenzte Konsequenzen" zu befürchten, die ihr wegen Überschreiten ihrer Amtsgewalt drohten. Wenn Lagarde dann überhaupt noch im Dienst des Fonds steht.
Machtgewichte den Realitäten anpassen
Die Ex-Wirtschaftsministerin übernahm die Führung des Fonds in Zeiten tektonischer Verschiebungen im Gefüge der Weltwirtschaft: Aufstrebende Nationen wie China, Indien oder Brasilien pochen auf mehr Mitsprache. Erst im März war eine Stimmrechtsreform beim IWF in Kraft getreten, die Schwellen- und Entwicklungsländern mehr Einfluss einräumt. Immer wieder hatte sie vor ihrer Wahl klar gemacht, die Machtgewichte "fortwährend" den Realitäten anzupassen.
Ihr besonderes Augenmerk gilt aber auch der Mission nach innen, der Seelenpflege des IWF, dessen Belegschaft nach dem Skandal um Dominique Strauss-Kahn wochenlang unter Schock stand. Von "offenen Wunden" sprach Lagarde einmal, von "Heilungsprozess".
Neue Ängste vor einem abermaligen Abschmieren der US-Wirtschaft, Schuldenkrisen auch in Europa und eine drohende Überhitzung der boomenden Schwellenländer - die wackelige Weltwirtschaft hält genug Arbeit für die Französin vor, auf die sie sich zu konzentrieren hat. Der dramatische Absturz der Weltbörsen in den vergangenen Tagen waren eine eindringliche Erinnerung.
dpa/cd - Archivbild: Ian Langsdon