Paare dürfen das Erbgut künstlich erzeugter Embryonen in Zukunft in Deutschland testen lassen. Nach einer ernsten und hochemotionalen Debatte frei von jedem Parteienstreit stimmte der Bundestag am Donnerstag mehrheitlich für die begrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID).
Auf den Gesetzentwurf pro PID der FDP-Abgeordneten Ulrike Flach und anderer entfiel eine überraschend deutliche Mehrheit von 326 Stimmen. Der Entwurf für ein striktes Verbot erhielt 260 Stimmen. Acht Abgeordnete enthielten sich. Ein Kompromissentwurf war mit 58 Stimmen in zweiter Lesung gescheitert.
Bereits heute können Ärzte nach einem Urteil des Bundesgerichtshof Embryonen untersuchen. Nun stellt der Gesetzgeber erstmals Bedingungen auf. Die PID bleibt im Grundsatz verboten - aber zulässig, wenn auf Grund der genetischen Disposition der Eltern eine schwerwiegende Erbkrankheit beim Kind oder eine Tot- oder Fehlgeburt wahrscheinlich ist. Zuvor ist Beratung Pflicht, eine Ethikkommission muss zustimmen. Die PID darf nur an Zentren mit Lizenz vorgenommen werden. Es wird von einigen Dutzend bis einigen hundert Fällen im Jahr ausgegangen.
Nur dank PID erkennbar ob Kind gesund
Immer wieder kochten in der Debatte ohne Fraktionszwang die Gefühle hoch. Mehrere Abgeordnete führten ihre eigenen Erfahrungen mit problematischen Schwangerschaften, Frühgeburten oder ihren gesunden Kindern ins Feld. Die Befürworter der PID stellten ins Zentrum, dass betroffene Paare nur so einschätzen könnten, ob sie ein gesundes Kind bekommen. Diese Entscheidungsfreiheit dürfe den Frauen nicht genommen werden. Die Gegner wandten ein, die PID könne nicht auf diese Fälle eingegrenzt werden - auch nach späteren Krankheiten oder gar Eigenschaften würde Leben künftig ausgewählt.
Für den Patientenbeauftragten Wolfgang Zöller (CSU) stand wie für die meisten anderen PID-Gegner im Mittelpunkt: "PID bedeutet Selektion. Unter den künstlich hergestellten Embryonen werden die einen ausgewählt, die anderen verworfen. Ein bisschen PID gibt es genauso wenig wie ein bisschen schwanger", sagte Zöller. "Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der Elten entschuldigen müssen, kein sogenanntes Musterbaby vorweisen zu können."
Eine zentrale Rolle spielten die Auswirkungen auf die Menschen mit Behinderungen. Ilja Seifert, behindertenpolitischer Sprecher der Linken, mahnte: "Es gibt keine perfekten Menschen - niemand von uns ist das." Doch die PID nähre Illusionen, es könne eines Tages ewige Gesundheit geben. Aus einem Kinderwunsch könnten leicht Wunschkinder werden. Mit der SPD-Abgeordneten Karin Evers-Meyer trat eine ehemalige Behindertenbeauftragte (2005 bis 2009) für eine PID-Zulassung ein: Das Leben von Behinderten werde durch unzureichende Gleichstellung im Alltag beeinträchtigt.
dpa/fs - Archibild: Wolfgang Kumm (epa)