Eine bessere Information für die Verbraucher - das ist es, was mit der Reform der Lebensmittelkennzeichnung in der Europäischen Union erreicht werden sollte. Bei der Industrie wollte man damit durchsetzen, dass für die Verbraucher auf der Vorderseite aller fertig abgepackten Lebensmittel zukünftig mehr Informationen über Inhaltsstoffe und deren Nährwert abzulesen sind.
Doch das Thema war heikel - sehr schnell wurde die Reform der Lebensmittelkennzeichnung in der EU zu einem ein äußerst politisierten, heftig diskutierten und auch von starker Lobbyarbeit seitens der Industrie begleiteten, heißen Eisen.
Nächste Woche soll nun abgestimmt werden über den Kompromiss, der bei den vielen Debatten als Resultat herausgekommen ist. Er sieht vor, die Angaben des Kaloriengehalts und von sechs Nährstoffen des Produktes - wie etwa gesättigten Fettsäuren, Fetten, Zucker, oder Proteinen - verpflichtend in einer übersichtlichen Tabelle aufzudrucken. Zur besseren Vergleichbarkeit werden die Nährstoffgehalte immer bezogen auf 100 Gramm oder 100 Milliliter angegeben werden, erklärt die deutsche Europa-Abgeordnete Renate Sommer, die als Berichterstatterin des Europäischen Parlaments die neue Lebensmittel-Verordnung federführend aushandelte.
Vorgeschlagen worden war für eine verbraucherfreundlichere Lebensmittelkennzeichnung auch ein so genanntes Ampelsystem: Mit den Signalfarben Rot, Gelb und Grün sollten ein hoher, mittlerer oder geringer Gehalt von Salz, Zucker und Fett in verarbeiteten Lebensmitteln angezeigt werden. Dies aber lehnte das Europaparlament mehrheitlich ab. Bedauerlich fand das die Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments, die Grünenpolitikerin Isabelle Durant.
Die Industrie zeigt sich zufrieden mit der neuen Lebensmittelkennzeichnung.
Die europäischen Lebensmittelkonzerne können mit den neuen Regeln gut leben. Die Branche mit einem Jahresumsatz von 965 Milliarden Euro hatte mächtig gelobbyt. Auch wenn der Direktor des belgischen Branchenverbands der Lebensmittelindustrie FEVIA, Chris Moris, dies verneint.
Und auch die Verbraucherschützer sind mit der novellierten Lebensmittelkennzeichnung zufrieden. Bessere Informationen als bislang auf den Verpackungen oder klare Hinweise für Allergiker machten die neuen Regeln rund. Einziger Wehrmutstropfen - es dürfte wohl noch gut zwei Jahre dauern, bis die neue Lebensmittelkennzeichnung auch in den einzelnen Mitgliedsländern Anwendung findet, sagt Aline Van Den Broek von Test Achats.
Archivbild: BRF
Um es zu lesen, braucht's denn dann eine Lupe, wenn man schlecht sieht?
Jene Verbraucherschützer, die mit der novellierten Lebensmittelkennzeichnung zufrieden sind, befinden sich in der Minderheit.
Die Verbraucherschutzzentrale VoG und viele andere Verbraucherorganisationen, Ärzte und Vereinigungen sehen darin einen deutlichen Sieg von Nestlé, Kellogg's & Co.. Auch wenn der Nährstoffgehalt immer auf 100 Gramm oder 100 Milliliter bezogen wird, heißt das noch lange nicht, dass der Verbraucher etwas damit anfangen kann, geschweige denn lesen kann.
Welcher Verbraucher hat Zeit, Nerven, eine Lupe und einen Taschenrechner zur Hand, um sich durch einen Wust aus Zahlen und Prozentangaben beim Einkaufen durchzukämpfen?