Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist trotz eines triumphalen Wahlsieges auf die Unterstützung anderer Parteien bei der geplanten Verfassungsreform angewiesen.
Seine islamisch-konservative Partei AKP erhielt bei der Parlamentswahl 49,9 Prozent und damit 326 Mandate in dem 550 Sitze zählenden Parlament, wie türkische Fernsehsender am Montag nach Auszählung aller Stimmen berichteten. Erdogans Partei kann damit aber weiter ohne eine Koalition mit anderen Kräften regieren.
Die laizistische CHP als größte Oppositionspartei legte unter ihrem neuen Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu auf 25,9 Prozent zu und wird 135 Abgeordnete stellen. Die rechtsnationalistische MHP liegt bei 13 Prozent, was im Parlament 53 Sitzen entsprechen wird. Die Kurdenpartei BDP wird mit 36 Abgeordneten vertreten sein. Sie scheiterte mit rund sechs Prozent zwar an der Zehnprozenthürde, hatte ihre Politiker aber als unabhängige Kandidaten ins Rennen geschickt, um diese Hürde zu umgehen.
Verfassungsänderung
Erdogan hatte auf eine Zweidrittelmehrheit für seine AKP gehofft. Mit einer Mehrheit von 367 Abgeordneten hätte er dem Land praktisch im Alleingang eine neue Verfassung geben können. «Die Botschaft ist, dass wir dies zusammen mit den anderen Kräften machen sollen», sagte Erdogan am späten Sonntagabend vor jubelnden Anhängern in Ankara. «Wir werden auch die Parteien anhören, die nicht im Parlament vertreten sind. Wir werden die umfangreichsten Verhandlungen führen», sagte er. «Jeder wird Bürger erster Klasse sein.»
Erdogans politische Gegner sehen einen möglichen weiteren Machtzuwachs der AKP mit Sorge. Sie erwarten, dass die AKP die Arbeit an einer neuen Verfassung auch zur Zementierung ihrer Macht nutzen wird. Die Arbeit an einer neuen Verfassung sei die wichtigste Aufgabe, hatte Erdogan erklärt. Dies gilt auch als weitere Wegmarke in den Bemühungen der Türkei um einen Beitritt zur EU. In den vergangenen Jahren ist die Türkei in den Verhandlungen kaum noch vorangekommen. Innenpolitisch kann Erdogan aber vor allem den Aufschwung der Wirtschaft für sich verbuchen.
dpa/rkr - Bild: str