War Francisco Franco im Grunde doch kein schlechter Mensch? War sein Regime, das von 1939 bis 1975 in Spanien geherrscht hatte, nicht so grausam und brutal, wie man bislang annahm? Diesen Eindruck jedenfalls erweckt ein lexikalisches Werk, das von Spaniens Königlicher Akademie für Geschichte herausgegeben wird.
"Franco machte sich einen Namen durch den kühlen Mut, den er im Felde an den Tag legte", heißt in dem Standardwerk des "Spanischen Biografischen Lexikons". "Er errichtete ein autoritäres, aber kein totalitäres Regime." Die in dem Lexikon enthaltene Biografie des "Caudillo" (Führer) bezeichnet Franco nicht als "Diktator", sondern als "Generalisimo" oder "Staatschef".
"Was da geschehen ist, ist eine Schande"
Die Ermordung von weit über 100.000 Regimegegnern und die systematische Verfolgung von Oppositionellen bleiben unerwähnt. Der spanische Bürgerkrieg (1936-1939), den Franco mit einem missglückten Militärputsch ausgelöst hatte, wird an anderer Stelle als ein "Kreuzzug" oder "Befreiungskrieg" eingestuft.
Die verzerrte und verharmlosende Darstellung des Franco-Regimes löste unter Wissenschaftlern und Intellektuellen eine Welle der Entrüstung aus. "Was da geschehen ist, ist eine Schande", meinte der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa. "So etwas darf man in der heutigen Zeit nicht zulassen." Der britische Historiker und Spanien-Experte Paul Preston betonte: "Die Darstellung Francos ist eindeutig franquistisch. Ich hätte mehr Objektivität erwartet."
Die spanische Regierung forderte, das Werk an bestimmten Stellen umzuschreiben. Madrid fördert die Erstellung des Lexikons mit 6,4 Millionen Euro Steuergeldern. Das Werk soll einmal 50 Bände umfassen, in denen die Kurz-Biografien von mehr als 43.000 Persönlichkeiten der spanischen Geschichte gesammelt sind. Über 5000 Biografen arbeiten seit zehn Jahren an dem Lexikon, von dem jetzt die ersten 25 Bände erschienen sind.
Arbeit der Experten und Akademie in Frage gestellt
Einige Autoren beklagten sich bitter darüber, dass die Passagen über Franco die Arbeit vieler Experten in ein schlechtes Licht gerückt hätten. "Man sollte die erste Ausgabe zurückziehen und eine korrigierte Version erstellen", meint der Literaturkritiker Miguel García Posada, der für das Lexikon die Biografie des Poeten Federico García Lorca verfasst hatte.
Die Königliche Akademie muss sich nun vorhalten lassen, sich bei der Auswahl einiger Biografen vergriffen zu haben. Der Autor des Franco-Porträts, der 87-jährige Historiker Luis Suárez, ist eigentlich ein Mittelalter-Experte. Er sollte die Franco-Biografie schreiben, weil er - anders als andere Historiker - das Archiv der Franco-Stiftung nutzen durfte. Suárez steht mit dieser Stiftung in Verbindung, die von der Familie des im November 1975 verstorbenen Diktators betrieben wird.
Der Ärger um das biografische Lexikon brachte die Königliche Akademie auch als Institution ins Zwielicht. Die fast 300 Jahre alte Einrichtung im Herzen der Madrider Altstadt muss sich vorhalten lassen, innerlich erstarrt zu sein und die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben. Fast die Hälfte der - auf Lebenszeit ernannten - 36 Mitglieder ist über 80 Jahre alt. Der Akademie gehören nur zwei Frauen an. Die Sitzungen werden traditionell mit einem Gebet eröffnet. Die Teilnehmer sind überwiegend Historiker, die sich mit den glorreichen Zeiten in der spanischen Geschichte befassen.
Direktor Gonzalo Anes räumte ein, dass Modernisierung anstehe. Die Akademie müsse mehr Frauen aufnehmen und sich auch zeitgenössischen Themen annehmen.
Von Hubert Kahl, dpa - Bild: Inaki Gomez (epa)