Wegen der grassierenden EHEC-Seuche hat Russland die Notbremse gezogen und die Einfuhr von Gemüse aus der gesamten Europäischen Union verboten. Bisher galt das Importverbot im größten Land der Erde nur für frisches Gemüse aus Deutschland und Spanien.
Grund für die Verschärfung sei die andauernde Ausbreitung des gefährlichen Darmkeims, sagte Russlands oberster Amtsarzt Gennadi Onischtschenko nach Angaben der Agentur Interfax am Donnerstag. Die EU-Kommission reagierte mit Unverständnis, weil erst am Vorabend nach neuen Testergebnissen die europaweite Warnung vor spanischen Gurken aufgehoben worden war.
Das größte Land der Erde importiert wegen der mangelnden Eigenversorgung viele Lebensmittel aus der EU. Russland gilt als größter Einzelmarkt für die Europäische Union. Der EU-Anteil des Gemüse-Imports liegt nach Schätzungen bei etwa 15 bis 20 Prozent. Russische Experten forderten vor dem Hintergrund des Importverbots eine Stärkung der Gemüseproduktion im eigenen Land.
Die Brüsseler Behörde kritisierte den Schritt Russlands als "unverhältnismäßig". Der Sprecher von EU-Gesundheitskommissar John Dalli sagte in Brüssel: "Wir verlangen von Russland eine Erklärung." Man stehe mit den russischen Behörden in engem Kontakt.
Neue Tests aus Deutschland und Spanien hätten ergeben, dass die aktuelle Darmseuche nicht von den auf einigen Gurken gefundenen Bakterien ausgelöst wurde. Der Warnhinweis im europäischen Schnellwarnsystem wurde entfernt. In Deutschland wird indes weiter dazu geraten, vorsichtshalber auf den Verzehr von rohem Gemüse zu verzichten.
Russland entschied sich für den weitaus drastischeren Schritt: Nach den Worten des obersten Amtsarztes des Landes ist der nun Zoll angewiesen, kein frisches Gemüse mehr über die Grenzen zu lassen. Alle verdächtigen Waren seien zudem aus dem Handel zu nehmen, sagte Onischtschenko. Zuvor hatte Russland bereits Gemüse aus Deutschland und Spanien aus den Lebensmittelmärkten entfernen lassen. Das eingeschränkte Importverbot galt seit 30. Mai.
Spanien bekräftigt Forderung nach Schadensersatz
Spanien bekräftigte unterdessen seine Forderung nach Schadensersatz für die Millionenverluste, die spanischen Landwirten infolge der EHEC-Krise entstanden sind. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero kritisierte am Donnerstag zudem das Krisenmanagement der deutschen Behörden und der EU scharf. "Die Regierung hat die Absicht, eine Wiedergutmachung für den gesamten entstandenen Schaden zu verlangen", sagte Zapatero dem staatlichen Rundfunk RNE.
Madrid werde die Forderungen bei den zuständigen Gerichten geltend machen. Der Regierungschef ließ aber offen, ob Spanien seine angekündigten Schadensersatzklagen bei der deutschen oder der europäischen Justiz erheben wird. Zwei südspanische Agrarbetriebe, auf deren Gurken in Hamburg EHEC-Erreger entdeckt worden waren, kündigten Schadensersatzklagen in Deutschland an. Spanische Bauernverbände beziffern die den Landwirten entstehenden Verluste auf 200 Millionen Euro pro Woche.
Auch in Deutschland steht den Gemüsebauern das Wasser bis zum Hals: Bauernpräsident Gerd Sonnleitner forderte einen finanziellen Ausgleich von der Bundesregierung und der EU für die angeschlagenen Betriebe. "30 Millionen Euro Einbußen sind nicht verkraftbar", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag). Viele Betriebe stünden wegen der Angst der Verbraucher vor dem EHEC-Erreger vor dem Ruin.
EU-Kommissar Dalli hält Entschädigungen generell für denkbar. Auch EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos hat angekündigt, rechtliche Möglichkeiten für Kompensationen betroffener Landwirte auszuloten.
dpa/est/sr - Archivbild: epa