Nach der Flucht von fünf Generälen und der zunehmenden Zahl von fahnenflüchtigen Soldaten aus Libyen sieht die Nato ein Ende der Herrschaft von Machthaber Muammar al-Gaddafi nahen.
"Gaddafis Terrorherrschaft neigt sich dem Ende zu", sagte Nato-Sprecherin Oana Lungescu am Dienstag in Brüssel. "Selbst jene, die ihm am nächsten waren, verlassen ihn oder desertieren." Dies sei durch die Desertion von acht hohen Offizieren, darunter fünf Generälen, nach Rom deutlich geworden.
"Es wird den Menschen inner- und außerhalb Libyens zunehmend klar, dass ein Regime, das Gewalt gegen die eigenen Bürger anwendet, keine Zukunft hat, sagte die Nato-Sprecherin. Auch aus Tunesien wurde berichtet, wieder sei eine Gruppe hochrangiger Offiziere aus Libyen über die Grenze Nachbarland geflüchtet .
Vor der Presse in Rom hatte einer der desertierten Generäle gesagt, die Streitkräfte Gaddafis seien nach zweimonatigen Bombardierungen durch Nato-Kampfflugzeuge nur noch zu 20 Prozent einsatzbereit. Die Nato-Sprecherin wollte sich zur Richtigkeit dieser Angabe nicht äußern: "Das ist deren Schätzung. Klar ist, dass die Leute sich in Scharen absetzen. Das ist ein wesentlicher Verlust der Regimeführung." Einer der geflüchteten Generäle, Massud Halasa, hatte auch die anderen libyschen Offiziere zur Flucht aufgefordert. Gaddafi könne sich nur noch auf zehn Generäle stützen.
Risse in libyschen Führung deutlich zu sehen
Lungescu sagte, die Desertionen kämen "nicht überraschend": Die Nato-Luftangriffe hätten die Führungs- und Kommandostruktur schwer getroffen: "Wenn die Offiziere keine Befehle mehr bekommen, dann verlieren sie das Vertrauen in die Führung. Und genau das passiert gerade." Die Nato werde den militärischen Druck auf das Gaddafi-Regime weiter fortsetzen: "Die Risse in der libyschen Führung sind deutlich zu sehen."
Die Oppositionszeitung "Libya al-Mostakbal" hatte unter Berufung auf einen Menschenrechtler im tunesischen Bezirk Ben Gerdane gemeldet, eine Gruppe hochrangiger Offiziere habe in der Nacht zum Dienstag die Grenze an einer Stelle jenseits der normalen Grenzübergänge überquert. In den vergangenen Tagen hatte es bereits mehrfach Berichte über libysche Deserteure gegeben, die nach Tunesien flohen.
Der Übergangsrat der Aufständischen, der seinen Sitz in der Stadt Bengasi hat, beschloss unterdessen, den Truppen der Rebellen einen Namen zu geben. Sie sollen ab sofort "Nationale Befreiungsarmee" heißen.
In Bengasi eröffnete der italienische Außenminister Franco Frattini am Dienstag ein Konsulat seines Landes. Die diplomatische Vertretung Italiens war 2006 nach anti-italienischen Ausschreitungen in der libyschen Handelsmetropole geschlossen worden. Nach Angaben libyscher Oppositionsmedien traf Frattini mit Mitgliedern des Nationalen Übergangsrates zusammen. Die italienische Regierung, die vor Beginn der Proteste in Libyen sehr enge Beziehungen zu Gaddafi gepflegt hatte, gehört inzwischen zu seinen erbittertsten Gegnern.
Die staatliche libysche Nachrichtenagentur Jana meldete, in der Nacht zum Dienstag habe die Nato erneut mehrere Ziele in der Hauptstadt Tripolis bombardiert, kurz nachdem der südafrikanische Präsident Jacob Zuma abgereist war. Zuma war als Vermittler angereist und hatte Gaddafi getroffen. Mehr als die Bereitschaft zu einer Feuerpause konnte der Südafrikaner seinem Gastgeber jedoch nicht abringen.
dpa/est/sr - Archivbild: Sabri Elmhedwi (epa)