Der Horrorunfall von Sergio Pérez hat in der Formel 1 eine neue Sicherheitsdebatte ausgelöst. Vor allem die Fahrer fordern weitere Verbesserungen und einen noch höheren Standard.
«Die Formel 1 ist zwar unheimlich sicher geworden, aber so ein Unfall ist immer ein Weckruf», sagte Weltmeister Sebastian Vettel vor dem Großen Preis von Monaco. «Wir dürfen beim Thema Sicherheit nicht lockerlassen.» Der Mexikaner Pérez war in der Qualifikation schwer verunglückt und konnte nicht am Rennen im Fürstentum teilnehmen.
Tückische Ecke
«Das ist eine tückische Ecke und ein Bereich, in dem es sehr schwierig ist, etwas bezüglich Sicherheit zu tun. Das ist Monte Carlo, ein Stadtkurs», sagte Jenson Button zu dem Streckenabschnitt nach dem Tunnel. «Aber wir müssen schauen, was wir hier mit der Auslaufzone machen können.»
Der britische McLaren-Pilot spricht aus leidvoller Erfahrung: 2003 war er an gleicher Stelle in einem BAR-Honda schwer verunglückt. Der Österreicher Karl Wendlinger hatte nach seinem Einschlag in diese Barriere 1994 sogar 19 Tage im Koma gelegen.
«Es war gut, dass Charlie die künstlichen Bremsleisten nach Nicos Unfall am Vormittag abbauen ließ», lobte Button Charlie Whiting. Der Renndirektor des Internationalen Automobilverbandes FIA hatte nach Nico Rosbergs Unfall im freien Training auf Bitten der Piloten entschieden, diese Bremsleisten zu entfernen. Monaco-Vorjahressieger Mark Webber urteilte: «Für Sergio war es gut, dass die Dinger bei seinem Unfall weg waren. Er hätte leicht darauf abheben können.»
Rosberg hatte mit seinem Mercedes ebenfalls nach der Tunnelausfahrt die Leitplanke touchiert, war aber glücklicherweise am Schutzwall knapp vorbeigeschossen und dann seitlich in eine weitere Barriere geknallt. Der deutsche Wahl-Monegasse überstand den Crash unverletzt und konnte im Gegensatz zu Pérez das Rennen bestreiten.
Der Unfall
Pérez knallte zweieinhalb Minuten vor Ende der Qualifikation beim Anbremsen ausgangs des Tunnels mit etwa 290 Stundenkilometern erst in die Leitplanke. Rund 300 Meter später prallte er seitlich in eine Barriere aus Plastikblöcken. Da war der Sauber-Pilot noch schätzungsweise 150 km/h schnell.
Erstaunlicherweise erlitt Pérez nur eine Gehirnerschüttung und Prellungen am rechten Oberschenkel, aber keine Knochenbrüche. Zuversichtlich twitterte der 21-Jährige aus der Klinik Princesse Grace, wo er die Nacht zur Beobachtung verbrachte: «Wir sehen uns in Montréal.» Beim Großen Preis von Kanada in zwei Wochen will der Neuling - Monaco war erst sein sechster Grand Prix - wieder fahren.
Pérez kam dank des hohen Sicherheitsstandards der Rennwagen, der Barrieren und der Fahrerausrüstung sowie seiner richtigen Reaktion relativ ungeschoren davon. Wie das Fachmagazin «auto, motor und sport» in seiner Online-Ausgabe meldete, hat die FIA vor fünf Jahren das neue Barrierensystem Tecpro entwickelt. Die jeweils 120 Kilogramm schweren Plastikblöcke sind mit Luft bzw. mit Schaum gefüllt. Das Schutzsystem sei auf Aufprallgeschwindigkeiten von über 200 km/h ausgelegt. «Das System hat so gut funktioniert, dass nicht mal die Leitplanke berührt wurde. Es gibt keinen besseren Schutz als diesen», zitierte «ams» Whiting.
Die Verbesserungen
Auslöser für eine permanente Verbesserung des Sicherheitsstandards waren die tödlichen Unfälle des dreimaligen Weltmeisters Ayrton Senna beim Großen Preis von San Marino am 1. Mai 1994 und des Österreichers Roland Ratzenberger tags zuvor in der Qualifikation. Dass in Wendlinger zwei Wochen später in Monaco beinahe der dritte Tote zu beklagen gewesen wäre, beschleunigte die Entscheidungen.
Dank verschärfter Crashtests, besserer Materialien, höherer Seitenwände am Cockpit, dem Hals-und-Nackenschutzsystem HANS, besserer Auslaufzonen und ständig weiter entwickelter Barrieren ist seit 1994 kein weiterer Formel-1-Fahrer trotz teilweise schrecklicher Unfälle tödlich verunglückt. Rekordweltmeister Michael Schumacher strich die Bedeutung der Crashtests heraus: «Die haben sich heute bezahlt gemacht. Früher wären andere Konsequenzen daraus entstanden.»
Vettel forderte weitere Anstrengungen: «Wir müssen aus der ganzen Situation lernen.» Und Rosberg riet trotz der bereits nach Buttons Unfall vor acht Jahren getroffenen Maßnahmen: «Vielleicht kann man die Barriere noch mehr versetzen für noch mehr Sicherheit. Ich vertraue der FIA.»
Bild: Liubomir Asenov (epa)