Zehntausende Menschen haben am Freitag auf dem Tahrir-Platz in Kairo für religiöse Toleranz demonstriert. "Man wird uns nicht auseinanderdividieren, der Halbmond und das Kreuz stehen vereint", sagte ein Redner auf der Kundgebung.
Vor sechs Tagen waren bei schweren Zusammenstößen zwischen koptischen Christen und radikalen Muslimen im Kairoer Armenviertel Imbaba 15 Menschen getötet und 240 weitere verletzt worden.
Der blutige Konflikt, der sich an der Liebesbeziehung einer zum Islam konvertierten Christin mit einem Muslim entzündet hatte, hat die ägyptische Öffentlichkeit schockiert. Der Tahrir-Platz in der Mitte Kairos war das Zentrum der landesweiten Massenproteste, die den Rücktritt von Präsident Husni Mubarak am 11. Februar erzwungen hatten.
An der Kundgebung nahmen auch christliche Priester und Gläubige teil. Ein anderes Thema war die Solidarität mit den Palästinensern. An diesem Sonntag begehen diese den sogenannten Nakba-Tag, den "Tag der Katastrophe". Er erinnert an die Gründung des Staates Israel im Jahr 1948, der mit der Flucht und Vertreibung von Hunderttausenden Palästinensern aus dem vormals britischen Mandatsgebiet einhergegangen war.
Mehrere tausend ägyptische Aktivisten wollen deshalb am Sonntag über den Grenzübergang Rafah in den palästinensischen Gazastreifen marschieren. Politiker und Behörden warnten sie allerdings davor. Die Organisatoren der an diesem Wochenende geplanten Solidaritätsaktion mögen "die gegenwärtig sensible Situation bedenken", zitierten Medien in Kairo am Freitag einen Sprecher des Innenministeriums.
Auch die islamische Muslimbruderschaft, die am besten organisierte politische Kraft Ägyptens, und der Politbüro-Chef der im Gazastreifen herrschenden radikal-islamischen Hamas, Chalid Meschaal, rieten den ägyptischen Aktivisten von dem Marsch ab. Vertreter der Muslimbruderschaft nahmen am Freitag an der Kundgebung auf dem Tahrir-Platz teil und bekräftigten die Forderung nach einem unabhängigen Palästinenser-Staat.
Proteste wegen der Angriffe auf zwei Kirchen in Imbaba
Rund 30.000 koptische Christen demonstrierten am selben Tag vor dem Fernsehgebäude in Kairo wegen der Angriffe auf zwei Kirchen in Imbaba. Sie verlangten ein schärferes Vorgehen der Behörden gegen islamistische Extremisten und die von ihnen ausgehende Gewalt. Sogenannte Salafisten - Anhänger einer besonders dogmatischen Strömung des sunnitischen Islam - waren in der Nacht zum Sonntag vor die St. Mina-Kirche gezogen, weil sie vermuteten, dass dort die erst kürzlich zum Islam konvertierte Frau gegen ihren Willen festgehalten werde.
Der weitere Hergang der Zusammenstöße liegt immer noch im Unklaren. Offenbar kam es zu einer Schießerei zwischen den Islamisten und einigen Christen rund um einen koptischen Kaffeehaus-Besitzer, der der ehemaligen Regimepartei NDP angehört haben soll. Während die Salafisten die St. Mina-Kirche angriffen, setzte eine Gruppe von Kriminellen und Schlägern eine andere Kirche in dem Viertel in Brand. Die Behörden verhafteten inzwischen die Frau, an der sich die Auseinandersetzung entzündete, ihren muslimischen Liebhaber, den Kaffeehaus-Besitzer und 200 weitere Personen.
Haftbefehl gegen Mubaraks Ehefrau
Indes verhängte die Staatsanwaltschaft auch einen Haftbefehl gegen die Ehefrau des im Februar gestürzten Präsidenten Husni Mubarak. Die Behörde verdächtigt Suzanne Mubarak der Veruntreuung staatlicher Gelder und der illegalen Bereicherung, berichtete das staatliche ägyptische Fernsehen am Freitag. Sie muss für vorerst 15 Tage ins Frauengefängnis Al-Kanatir bei Kairo. Untersuchungshaft wird in Ägypten für jeweils für 15 Tage verhängt und kann dann verlängert werden.
Gegen die Ex-Präsidentengattin liefen schon zuvor Ermittlungen. Nach Medienberichten drehen sich diese um mutmaßliche Unterschlagungen im Zusammenhang des von ihr forcierten Prestige-Projekts der Bibliotheca Alexandrina. Ihr Mann steht derzeit in einem Krankenhaus in Scharm el Scheich (Sinai) unter Arrest. Gegen ihn ermitteln die Behörden wegen Amtsmissbrauchs und Korruption. Auch die gemeinsamen Söhne Gamal und Alaa sind in Untersuchungshaft.
dpa/okr/sr - Bild: Khaled Elfiqi (epa)