Die Briten haben sich in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit gegen eine Reform ihres Wahlsystems entschieden. Nach der Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmen war am späten Freitagabend klar, dass das britische Parlament weiter nach dem bisherigen Mehrheitswahlsystem bestimmt werden wird.
Prognosen zufolge hatten fast 70 Prozent gegen eine Änderung gestimmt.
Das Nein zur Reform ist eine schwere Niederlage für die Liberaldemokraten, die seit einem Jahr als Junior-Partner mit den konservativen Tories in London regieren. Die Wähler straften die Partei außerdem bei parallel stattfindenden Regional- und Kommunalwahlen ab. Ein neues Wahlsystem hatte zu ihren zentralen Themen im Wahlkampf gehört.
Wahlausgang als "bitteren Schlag" angesehen
Die endgültigen Ergebnisse der Volksabstimmung wurden im Laufe der Nacht erwartet. Beim Mehrheitswahlsystem gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen im Wahlkreis. Die restlichen Stimmen, vor allem die kleinerer Parteien, verfallen einfach. Das zur Abstimmung stehende neue System hätte eine Rangfolge unter den Kandidaten ermöglicht und damit auch kleineren Parteien größere Chancen gegeben.
Parteichef Nick Clegg bezeichnete den Wahlausgang am Freitag als "bitteren Schlag". Die Liberalen hätten die "Hauptlast und die Schuld" für die radikalen Sparmaßnahmen der Koalitionsregierung abbekommen. Seine Partei werde nun wieder aufstehen und ihre "Anstrengungen verdoppeln".
Kritik an Clegg - Freude bei Premier Cameron und auch bei den Schotten
Clegg war in den vergangenen Monaten immer wieder vorgeworfen worden, Wahlkampfversprechen gebrochen zu haben. So hatte er zugesagt, dass die Studiengebühren nicht erhöht würden. Genau das aber war passiert. Auch bei den Sozialkürzungen sei Clegg in der Koalition zu viele Kompromisse eingegangen, meinen Kritiker.
Der Vize-Premier und seine Partei mussten aber noch mehr wegstecken als das deutliche Nein beim Referendum. Die Wähler straften die Partei außerdem bei parallel stattfindenden Regional- und Kommunalwahlen ab. In einigen Wahlkreisen fuhren sie das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein.
Premierminister David Cameron sagte dem Sender BBC, die Koalitionsregierung werde unabhängig vom Ausgang der Abstimmungen fortgeführt. "Es wird keine Feiern geben", sagte Cameron, der sich mit dem Abschneiden der eigenen Partei zufrieden zeigte.
Freude gab es auch bei der Schottischen Nationalpartei SNP. Die Partei erreichte eine absolute Mehrheit und kann damit erstmals seit Einführung des schottischen Parlamentes 1999 alleine regieren. Damit könnten sie eine Volksabstimmung über eine Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien durchsetzen.
dpa/jp - Bild: Kerim Okten (epa)