Der Libyenkonflikt bringt Nato und EU erstmals an einen Tisch. Mit vereinten Kräften wollen beide Organisationen den Druck auf den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi erhöhen. Deswegen sollen sich Botschafter der insgesamt 34 Staaten in Kürze in Brüssel treffen. Darauf verständigten sich die Nato-Außenminister am Freitag in Berlin.
Den Weg dafür machte die Türkei frei, die sich erstmals zu Beratungen mit dem EU-Mitglied Zypern in einem solchen Rahmen bereiterklärte. Die türkische Regierung bestand jedoch darauf, dass das Gespräch nur einen informellen Charakter hat und damit keine förmlichen Entscheidungen getroffen werden.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte sich mehrfach für ein Aufbrechen der Blockade zwischen beiden Organisationen ausgesprochen. In der EU hat Zypern, dessen nördlicher Teil seit 1974 von türkischen Soldaten besetzt ist, immer wieder den türkischen Wunsch abgelehnt, sich an der EU-Verteidigungsagentur beteiligen zu dürfen. Die Türkei hatte unter anderem deswegen offizielle Kontakte zwischen den Mitgliedern beider Organisationen abgelehnt. 21 Staaten sind sowohl Mitglieder der EU als auch der Nato.
Libyen-Konflikt: Drei Bedingungen - Strafen
Die Nato-Außenminister hatten sich bereits am Donnerstag zum Auftakt der zweitägigen Nato-Konferenz mit dem Libyenkonflikt befasst und Gaddafi erstmals klare Bedingungen für ein Ende des internationalen Militäreinsatzes gestellt: Keine Angriffe mehr auf Zivilisten, weitgehender Rückzug seiner Soldaten in die Kasernen und ungehinderter Zugang der Bevölkerung zu humanitären Hilfsleistungen.
Wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen das eigene Volk hat die Staatengemeinschaft eine Reihe von Strafmaßnahmen gegen das Gaddafi-Regime verhängt. Dazu gehören ein weitreichendes Öl- und Gasembargo sowie das Einfrieren von Auslandskonten des libyschen Staatsapparats.
Rasmussen begrüßt Libyen-Brief
Nato-Generalsekretär Rasmussen begrüßte einen gemeinsamen Artikel der führenden Politiker der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi. "Ich denke, dieser Artikel spiegelt die Einigkeit im Ziel und in der Entschlossenheit der Verbündeten wider", sagte Rasmussen am Freitag zum Abschluss des Treffens der Nato-Außenminister in Berlin. US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Regierungschef David Cameron hatten in dem Artikel erklärt, Gaddafi müsse abtreten.
"Die Nato ist absolut entschlossen, ihren Einsatz so lange fortzusetzen, wie es eine Bedrohung der libyschen Zivilbevölkerung gibt", sagte der Generalsekretär des Bündnisses. "Und es ist unmöglich, sich vorzustellen, dass diese Bedrohung mit Gaddafi an der Macht verschwindet." Rasmussen sagte im Anschluss an Beratungen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, auch Russland habe bestätigt, dass der von der Nato geführte Militäreinsatz legitim sei. Er versicherte, es gebe keinerlei Vorbereitungen für den Einsatz von Bodentruppen.
Frage nach der Raketenabwehr
Die Nato-Außenminister kamen am Freitag mit ihren Kollegen aus der Ukraine, Georgien und Russland zusammen. Rasmussen betonte zum Auftakt des Gesprächs mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow gemeinsame Sicherheitsinteressen. "Wir müssen uns darüber einigen, wie der künftige Rahmen für eine Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr zwischen Russland und der Nato aussehen soll", sagte er. "Wir stehen vor den selben Bedrohungen und wir stimmen überein, dass wir uns gemeinsam besser gegen solche Bedrohungen schützen können."
Die Frage der Raketenabwehr gehört zu den umstrittensten im Verhältnis beider Seiten. Bei dem geplanten System, das vor Angriffen von Staaten wie beispielsweise dem Iran schützen soll, hat die Nato Moskau eine enge Zusammenarbeit angeboten. Unklar ist noch, wie diese Kooperation aussehen soll. Russland möchte einen gemeinsamen Gefechtsstand, um sicher zu sein, dass die Abwehr nicht gegen die eigenen Raketen gerichtet ist. Die Nato möchte ein eng verbundenes System, beharrt aber auf getrennten Entscheidungsstellen.
Nato und Russland zahlen für Hubschrauber in Afghanistan
Die Nato und Russland haben einen Fonds gegründet, mit dem russische Hubschrauber in Afghanistan wieder zum Fliegen gebracht werden sollen. Der Fonds soll acht Millionen Dollar (5,5 Millionen Euro) umfassen, sagten Diplomaten. Russland ist mit 3,5 Millionen Dollar (2,4 Millionen Euro) beteiligt, Deutschland mit 3 Millionen Dollar (2 Millionen Euro) der zweitwichtigste Geldgeber.
Mit dem Geld sollen vor allem Mechaniker ausgebildet und Ersatzteile beschafft werden. "Dies ist ein greifbarer Beweis dafür, dass Zusammenarbeit wirkliche Sicherheitsvorteile bringt", sagte Rasmussen in Berlin. An dem Fonds beteiligen sich neben Russland und Deutschland auch Dänemark, Luxemburg und die Türkei.
Afghanistan verfügt über 56 Hubschrauber der russischen Typen Mi-17 und Mi-35, die wegen ihrer einfachen und robusten Konstruktion für das Land besonders gut geeignet sind. Außerdem haben die USA noch weitere 21 russische Helikopter für insgesamt 370 Millionen Dollar hinzugekauft. Die Hubschrauber gelten als wichtige Voraussetzung dafür, dass Afghanistan wie geplant ab 2014 selbst für die eigene Sicherheit sorgen kann.
dpa/km - Bild: Hannibal Hanschke (epa)